Das Altern und das Alter ist ein Thema, das Roberto Ciulli zunehmend interessiert. In Pirandellos Stück „Kaos“ spielte es eine Rolle, in Handkes Familiendrama „Immer noch Sturm“ ist es der Ausgangspunkt und im Gespräch kommt Ciulli oft darauf zu sprechen. Schon sind einige seiner Weggefährten aus der Theatergeschichte gestorben. Die Bemerkung, dass er im kommenden Jahr 80 wird, übergeht der agil wirkende Theatermann, dem man sein Alter nicht anmerkt. 1965 kam er nach Promotion und ersten Erfahrungen mit seinem Zelt-Theater in Mailand nach Deutschland, arbeitete am Theater Göttingen zunächst als Requisiteur und Beleuchter, ehe er 1967 das erste Stück inszenierte.

Er bezeichnet sich selbst als „verspäteter 68er“. Die anderen Regisseure seiner Generation wie Peter Stein, Hansgünther Heyme, der ihn dann später ans Kölner Schauspiel holte, und Claus Peymann hatten am gesellschaftlichen Wendepunkt schon ein gutes Jahrzehnt Erfahrung hinter sich. Er brauchte noch etwas, bis er seinen eigenen Stil gefunden hatte.

Die letzte Premiere am Theater an der Ruhr, das er 1980 gründete, liegt inzwischen schon einige Zeit zurück. „Wir waren nicht untätig“, erzählt er und weist auf zwei Produktionen hin, an denen im Haus gerade gleichzeitig gearbeitet wird und die zum Beginn der neuen Spielzeit kurz hintereinander Premiere feiern werden.

Das eine ist ein freies Projekt, wen wundert’s, zum Thema Alter und trägt den Titel „Clowns 2½“. Der Titel ist zum einen eine Hommage an den großen italienischen Filmregisseur Federico Fellini („8½“), der für Ciulli ein großer Clown war und im übrigen einen Film mit dem Namen „Die Clowns“ gedreht hat. Der Stücke-Titel ist zum anderen aber auch eine Nummerierung. 1989 hatte Ciulli schon einmal einen Clown-Abend gemacht, damals nach Texten des Franzosen Tristan Remy, der legendäre Szenen gesammelt hat. Und als halben Abend zählt Ciulli seinen Dauerbrenner „Der kleine Prinz“.

Es soll ein komisch-musikalischer Abend sein. Dessen musikalischen Part wird, wie Ciulli mit einem Schmunzeln erzählt, schräg und heiter das Ensemble unter der Leitung von Matthias Flake bestreiten. Noch mehr Freude bereitet Ciulli die Frage nach der Textgrundlage: Es gibt keine. Es wird wohl auch so gut wie nicht gesprochen. Eine Idee gibt es dennoch: Es geht um Altenheime, die ihn an seine Zeit im Internat bei den Jesuiten erinnern. Oft seien das deprimierende Orte. Sie seien aber durch den Zusammenbruch der Familie, in der Menschen alt werden und sterben können, aber notwendige Einrichtungen. Er wirft einen hellen Blick durch die rosa Brille des Clowns darauf.

Eine ganze Welt ausdrücken

Es spricht von der schweren Kunst des Clowns und dabei geht es ihm nicht um einen Pausenclown. Die schwere Aufgabe besteht darin, „in einem Augenblick eine ganze Welt zum Ausdruck zu bringen, eine universelle Aussage zu treffen“. Für Schauspieler sei das keine Selbstverständlichkeit. Der Abend wird eine Abfolge von Szenen, zu denen er den Schauspielern die Anregungen gibt. Die ganze Welt könne man an Konflikten zwischen dem roten und dem weißen Clown erzählen. Der rote steht für Anarchie, Chaos, Emotion, Bauch und Sexualität, der weiße für Ordnung und Disziplin. Premiere ist am 12. Oktober.

Auch bei dem Stück, das am 10. September die Spielzeit eröffnet, handelt es sich formal um eine Komödie. Es ist eins der eher selten gespielten Stücke von Georges Feydeau („Der Floh im Ohr“): „Monsieur Chasse oder wie man Hasen jagt“. Die Vaudeville-Stücke sind beim Publikum beliebt. Sie thematisieren die Doppelmoral des Bürgertums und werden meist in einer überdrehten Form wie bei Herbert Fritsch inszeniert. Es geht um Betrug. Männer verstecken sich in Schränken. Alle haben Angst vor einem Skandal. „Ich gehe eine andere Richtung“, kündigt Ciulli fröhlich an. Er suche in einer realistischeren Darstellung einen adäquaten Ausdruck. Er habe da eher Filme der Nouvelle Vague, von Truffaut oder Godard vor Augen. „Monsieur Chasse“, 1892 als Kommentar zur Pariser Gesellschaft geschrieben, sage viel über die heutige Zeit. „Die Menschen versuchen ihr Glück, sehen es so groß vor sich und sind am Ende doch enttäuscht“, sagt er. Das Jagen werde zur Metapher und die Frau zur Beute. Das Stück sage etwas über die Kälte der Gegenwart, so wie ein Bild von Edward Hopper. Ob das dann noch zum Lachen ist?