150 Jahre Mülheimer SPD. Das wird morgen im Kino Rio gefeiert. Vor der Geburtstagsfeier ihrer Partei ließen der ehemalige Fraktionschef der Sozialdemokraten, Hans Meinolf, (82) und sein Enkel Sven Deege (27) im Gespräch mit der NRZ ihren ganz persönlichen SPD-Geburtstagsfilm ablaufen.
Wann und wie haben Sie die SPD als ihre politische Heimat erlebt?
Meinolf: Ich denke an geselligen Abende der Falkenjugend im Haus Freundschaft am Uhlenhorst, an denen wir gemeinsam sangen, an unsere Zeltlager im Sommer, an meine Fortbildung als Jugendvertreter der IG-Metall in der DGB-Bundesschule, an den Konsum an der Weseler Straße, in dem wir einkauften und an einen Streik, in dem wir 1951 für die betriebliche Mitbestimmung gekämpft haben. 1952 bin ich dann in die SPD eingetreten. Gerne erinnere mich auch an große Veranstaltungen der Mannesmann-Betriebsgruppe mit Willy Brand und Helmut Schmidt.
Deege: Ich bin durch meine sozialdemokratische Familie geprägt worden. Mein Großvater hat den Ortsverein in Eppinghofen und die SPD-Betriebsgruppe der Mannesmann-Röhrenwerke gegründet. Ich bin im Kinderwagen zum Wahlkampf mitgenommen worden und als ich laufen konnte, habe ich die ersten Flugblätter verteilt. Mit mit 14 bin ich dann in die SPD eingetreten.
Warum tun sich junge Menschen heute so schwer mit Parteien, Politik und auch mit der SPD?
Deege: Anders, als in meiner Familie, war Politik für die meisten meiner Klassenkameraden an der Luisenschule kein Thema. Ich glaube, dass hat damit zu tun, dass die meisten Jugendlichen Demokratie und Freiheit als Selbstverständlichkeit ansehen, für die man nicht mehr kämpfen muss. Politik und Parteien empfinden die meisten Jugendlichen als uncool, weil sie dort vor allem alte Männer und Frauen über Dinge diskutieren sehen und hören, die am Ende dann doch nicht passieren. Ich selbst bin zwar Parteimitglied, aber im Moment politisch nicht aktiv, weil mir mein Beruf als kaufmännischer Angestellter zu wenig Zeit dafür lässt.
Meinolf: Vielleicht ist das auch unsere Schuld. Vielleicht haben wir der jungen Generation zu viele Steine aus dem Weg geräumt. Als ich mit 18 Jahren politisch aktiv wurde, hatten wir nach Krieg und Diktatur einen enormen Aufholbedarf. Wir mussten unsere Gesellschaft und unser Land ja erst mal aufbauen. Wir mussten Demokratie und Freiheit ja erst mal lernen. Und wir mussten uns durchsetzen. Als ich 1957 auf einem Unterbezirksparteitag sprechen wollte, sagte mir der damals 67-jährige Oberbürgermeister Heinrich Thöne: „Lass mal. Dafür bist du noch zu jung.“
Warum erleben Sozialdemokraten keinen politischen Höhenflug, obwohl immer mehr Menschen über soziale Ungerechtigkeit klagen?
Deege: Das liegt auch daran, dass unser Kanzlerkandidat Peer Steinbrück in das eine oder andere Fettnäpfchen getreten ist, das er hätte auslassen können. Doch das eigentliche Problem sehe ich in der Politik- und Parteienverdrossenheit, mit der viele Jugendliche schon in der Familie groß werden. Da gibt es eine weit verbreitete Lethargie. Selbst Menschen, die von Hartz IV leben müssen, haben oft das Gefühl: „Irgendwie klappt es schon. Ich komme alleine über die Runden. Viele Menschen geben heute zu schnell auf. Sie haben keine Lust mehr, Probleme über eine lange Zeit zusammen mit anderen durchzuarbeiten und zu lösen. Heute wird das Ich-Gefühl zu stark gelebt. Niemand hat das Gefühl, dass da jemand wäre, der sich um die Probleme kümmert. Hinzu kommt eine gewisse Übersättigung durch die politischen Talkshows, die täglich im Fernsehen gesendet werden. Es fängt schon in der Freizeit an, wenn Leute heute lieber zu Hause bleiben und bei Facebook mit Freunden chatten, als raus zu gehen und sich mit Freunden auf dem Fußballplatz oder in einer Kneipe zu treffen. Wir brauchen in unserer Partei und in unserer Gesellschaft einfach mehr Ausdauer und Rückgrat, wie ein Marathonläufer
Meinolf: Einige Enkel von Willy Brandt, Helmut Schmidt und Herbert Wehner wollten oder wollen nicht mehr wahrhaben, dass die Arbeitnehmerbewegung den Ursprung der SPD bildet und das die Sozialdemokratie nur dann erfolgreich sein kann, wenn sie ihre Stammwählerschaft für voll nimmt. Wir dürfen nicht vergessen, dass bessere Arbeitsbedingungen nicht vom Himmel fallen, sondern erkämpft werden müssen. Das wird aber immer schwerer, wenn es immer weniger Großbetriebe mit starken Gewerkschaften gibt und immer mehr Menschen in kleinen Betrieben oder selbstständig arbeiten und jede Berufsgruppe nur noch für sich selbst kämpft. Die Agenda 2010 hat zum Beispiel bei der Leih- und Zeitarbeit die falsche Richtung eingeschlagen. Solidarität und Gemeinschaftsgefühl müssen wieder gefestigt werden.
Warum brauchen wir die SPD?
Deege: Als Anschub und Bindeglied dafür, dass der Starke dem Schwachen hilft und ihm dafür die Hand reicht.
Meinolf: Weil Sie immer noch das offenste Ohr für die Armen hat.