Mülheim.

Jürgen Liebich ist ein altgedienter Stadtplaner. Was er jedoch jetzt in der Hand hält, ist auch für ihn einmalig: 1200 Seiten umfasst das Planverfahren, 14 Gutachten wurden erstellt, und noch nie hat es so eine umfangreiche Bürgerbeteiligung gegeben. „Kein anderes Fleckchen Erde ist in der Stadt so gut untersucht worden wie dieses“, sagt Liebich. Dabei geht es um nicht einmal mehr 20 Einfamilienhäuser auf einem grünen Acker in Holthausen.

Die erste politische Hürde hat das Projekt jetzt genommen, mit deutlicher Mehrheit stimmte die Bezirksvertretung dem Vorhaben zu. Der Rat soll im Juli folgen.

Doch es ist kein gewöhnlicher Acker im Winkel von Oppspring und Tilsiter Straße. Wer hier wohnt, wohnt grün, recht ruhig, der Blick fällt hinab ins Tal, die frische Luft – sie ist hier oben zu spüren. Und genau darum ging es in den letzten fünf Jahren, um den Erhalt eines Frischluftentstehungsgebietes.

Bürger sammelten 1000 Unterschriften

Die Geschichte dieses Bebauungsprojektes ist eine typische Mülheimer Geschichte, wo die Menschen – wie zuletzt in Menden – eben nicht alles schnell schlucken.

Die Bürgerinitiative „Frische Luft für Mülheim“ hatte sich schnell gegründet und stets sehr sachlich für den Erhalt eben dieses Stückchen Natur als Frischluftzone, die bis in die Innenstadt wirkt, gekämpft. Und das droht aus Sicht der Bürgerinitiative durch die Bebauung zerstört zu werden.

Für die Bürger ein zu hoher Preis. Sie sammelten weit über 1000 Unterschriften, wandten sich in Stadt, im Land und im Bund an Politiker, gingen bis zur EU, schalteten Anwälte und Gutachter ein und erhielten zwischenzeitlich auch den Klimaschutzpreis des RWE.

Maximal 18 Einfamilienhäuser werden gebaut

Aller Voraussicht nach wird gebaut. Anders jedoch als ursprünglich geplant. Es werden maximal 18 Einfamilienhäuser werden, ihre Höhe ist gedeckelt. Eine Blockbebauung wird es nicht geben, die Durchlüftung und Durchgrünung des Gebietes bleibe erhalten, betont Liebich. Weder der Arten- noch der Klimaschutz werde mit dem Bauvorhaben beschädigt. Klimatische Störungen beziffert die Stadt im Promillebereich – mit Verweis auf Gutachter. Eben das ist bis heute umstritten. Die Bürgerinitiative führt Gutachten an, unter anderem der Uni Bochum, die Gegenteiliges behaupten. Politische Unterstützer stehen den Bürger zur Seite – bis hin zum Umweltminister des Landes. Kritiker hat die Bürgerinitiative auch erleben müssen, jene, die den Anwohnern vorwerfen, nur für ihre eigene grüne Aussicht zu kämpfen.

Zwei Drittel der Bauflächen soll der Eigentümer des Ackers selbst verkaufen, ein Drittel geht an einen Bauträger. „Wir sehen“, sagt Liebich, „noch bis etwa 2030 einen steigenden Bedarf an Flächen für hochwertiges Wohnen.“

Heißt für ihn: Am Oppspring wird wohl schnell gekauft.