Theaterkritiker und Intendanten haben per se ein distanziertes Verhältnis zueinander – im besten Fall. Doch ins Schwärmen geriet der Intendant des Deutschen Theaters Berlin bei seiner Laudatio auf Gerhard Jörder, als der kürzlich den Marie-Zimmermann-Preis für Theaterkritik erhielt: „Er macht sich und sein Urteil nie zum Mittelpunkt. Er wirft vielmehr sein Herz ins Spielfeld, öffnet es der Sache, dem Theater, den Künstler und auch dem Publikum“, sagte Ulrich Khuon. Starke Worte. Und genau so moderiert Jörder auch die Publikumsgespräche bei den „Stücken“. Nach elf Jahren ist dieses Festival seine letzte „Spielzeit“ in Mülheim.

Wie fühlt man sich bei solch einer hymnischen Rede auf die eigene Person?

Ich bin jemand, der sehr sachorientiert ist, ich muss nicht gefeiert werden. Khuon war aber unglaublich empathisch. Ich habe dann auch eine Rede gehalten über die Liebe zum Theater auf Distanz. Man liebt das Theater als Kritiker. Ich liebe es auf Distanz und weiß genau, dass es dazu Spielregeln braucht. Bei aller Zuneigung zum Theater sollte man sich immer die Unabhängigkeit bewahren.

In die Publikumsgespräche gehen Sie nie oberlehrerhaft mit einer vorgefertigten Meinung, sondern suchen mit Autoren, Regisseuren, Ensembles und Publikum den offenen Diskurs, hinterfragen Dinge und piksen gern mal nach.

Ja, ich will Gespräche stiften, das war immer schon eine Leidenschaft von mir. Ich will mich nicht selbst auf den roten Teppich stellen und sagen, was ich für eine Meinung habe – obwohl ich durchaus eine habe, sondern ich will, dass man die Autoren, Regisseure und die Ensembles hört. Das ist die große Chance von Mülheim. Das gibt’s bei anderen Festivals nicht, dadurch wird es viel mehr Werkstatt als beispielsweise die Nachgespräche beim Berliner Theatertreffen.

Wie läuft das in Berlin?

Das Berliner Theatertreffen hat, salopp gesagt, Regie-Zampanos, die gehen auf den Laufsteg, wo sie vielleicht kritisiert, aber meistens gelobt werden. Hier ist das ganz anders. In Mülheim kann man, weil es um Stücke geht, immer auch den Haarrissen zwischen dem, was ein Autor in einem Stück sieht, und dem, was ein Regisseur daraus gemacht hat, nachgehen. Das ist am Anfang immer ein bisschen schwierig. Das wollen die ja gar nicht, dass ein Dissens auftritt, aber genau das finde ich am spannendsten. Dadurch entsteht ein Werkstattgespräch, eine gemeinsame Nachdenklichkeit über Stücke, und ich frage: geht es auch anders, was sind die Alternativen?