Mülheim. .

Die Bestattungskultur in Mülheim wird ab morgen um eine Facette reicher sein: An der Augustastraße 144 in Styrum weiht um 11 Uhr Dechant Ingo Reimer von der Alt-Katholischen Kirche ein Urnenhaus nach Vorbild amerikanischer Kolumbarien ein. Betreiber des Urnenhauses wird das örtliche Bestattungsunternehmen Fohrmann sein.

Seit Monaten staunen Passanten über den Neubau, der da inmitten der Wohnbebauung an der Augusta­straße, gegenüber vom Parkplatz und von der Brücke zum Styrumer Friedhof, entstanden ist: ein rechteckiger Bau, in Naturstein gehalten, in dessen Mitte sich eine Rotunde aus goldlasiertem Sichtbeton absetzt. Während der Bauzeit, erinnert sich Bestatter Stefan Helmus-Fohrmann, hätten nicht wenige vorbeigehende Styrumer gegrübelt, was da denn wohl gebaut werde. Ein Wassertank? Hartnäckig hielt sich die Interpretation, es könne sich nur um eine Moschee handeln, wegen der Kuppe auf der Rotunde. Oder soll das etwa ein Mini-Wohnhaus sein? Wie soll da denn bloß einer drin wohnen?

Sakrale Elemente

Bestatter Helmus-Fohrmann schmunzelt, Architekt Wolfgang Kamieth zuckt. Manche haben gar gedacht, es entstehe eine neue öffentliche Toilette. Aber nein: Es ist ein Urnenhaus, im Innern finden auf nur 60 Quadratmetern 400 Urnenkammern Platz – ohne dass es gedrungen wirkt. Das Architekten-Team, für das dieses Bauprojekt etwas Einmaliges darstellt, hat laut Kamieth Wert darauf gelegt, auf kleinem Raum Baustile aus der Kirchenarchitektur sichtbar werden zu lassen. Größtmögliche Symmetrie ist im Urnenhaus umgesetzt, es mangelt nicht an sakralen Elementen. „Eine schwierige Aufgabe war es für uns“, sagt Architektin Sonja Grünert, „wenig Licht von außen in das Haus dringen zu lassen, die Räume aber trotzdem hell zu gestalten.“ Die Anordnung von Fenstern gelang schließlich in einer Weise, dass Trauernde in ihrer Intimsphäre nicht gestört werden dürften. Draußen ist ein „Garten der Stille“ hergerichtet, dort können größere Trauerfeiern stattfinden.

Seit zehn Jahren hat das Styrumer Bestattungshaus den Plan, ein Urnenhaus nach amerikanischem Vorbild zu bauen, die Idee hatte die mittlerweile verstorbene Mutter von Firmenchefin Mirjam Helmus-Fohrmann von einer USA-Reise mitgebracht. Bei der Stadt, so Mirjam Helmus-Fohrmann, sei die Idee lange auf wenig Gegenliebe gestoßen. Die erste Bauvoranfrage sei abgeschmettert worden, laut Architekt Kamieth zeigte sich seinerzeit erst der damals neue Planungsamtschef Martin Harter offen für die Pläne.

Auch konfessionslose Kunden sind willkommen 

Als Trägerin öffentlichen Rechts für das Urnenhaus gewann das Bestattungsunternehmen die Alt-Katholische Kirche NRW. Gleichwohl steht das Haus für alle Menschen offen, egal ob konfessionsgebunden oder konfessionslos. Laut dem Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Bestatter, Dr. Rolf Lichtner, ist ein separat gebautes und privat betriebenes Urnenhaus in Deutschland bislang einzigartig. Die erste Beisetzung fand bereits am Mittwochnachmittag statt.

Der ungebrochene Trend zur Feuerbestattung bestimmt auch die Friedhofsplanungen der Stadt. In großem Umfang baut sie ihr Angebot an Urnenkammern aus.

Pflegefreie Bestattungsformen bleiben attraktiv

Im Sommer 2011 hatten Angehörige in Dümpten gar Monate auf die Urnenbeisetzung Verstorbener warten müssen, da am Schildberg keine freien Urnenkammern mehr zur Verfügung standen. Die Nachfrage nach pflegefreien Bestattungsformen, so Jochen Schwatlo als stellvertretender Leiter des zuständigen Stadtamtes, sei „weiter riesig“. Zurzeit gibt es auf städtischen Friedhöfen 2540 Urnenkammern, nur noch 188 davon sind, Stand gestern, frei – 58 in Broich, 77 in Dümpten (Oberheidstraße) und 53 in Styrum.

Auch interessant

Die Stadt erweitert derzeit ihr Angebot an Urnenwänden und -stelen auf dem Friedhof Dümpten 2 (Oberheidstraße) um 108 und in Styrum um 88 Urnenkammern. Erstmals entsteht zurzeit auch eine Urnenwand mit 72 Kammern auf dem Speldorfer Friedhof. Damit nicht genug: Durchgeplant sind weitere 368 Kammern für den Friedhof Dümpten 2 und 252 Kammern für den Friedhof Speldorf. Vorplanungen laufen laut Schwatlo für noch mal weitere 394 Kammern in Styrum und Speldorf. Bedeutet: Bis zum Jahr 2017 will die Stadt auf ihren Friedhöfen knapp 4000 Urnenkammern vorhalten. In jeder Kammer können bis zu drei Urnen beigesetzt werden. Bei einer Ruhezeit von 25 Jahren kostet der Erwerb einer Kammer (ohne Nebenleistungen) laut Schwatlo 2418 Euro.