Mülheim an der Ruhr. .
Es ist der größte Müllberg der Erde – und es ist zugleich das Zuhause von tausenden von Kindern. Tag für Tag kämpfen die kleinen (und großen) Bewohner des „Smokey Mountain“ in Manila auf den Philippinen ums nackte Überleben. Vielen ist nicht einmal das vergönnt: „Sie vegetieren vor sich hin und sterben weg wie die Fliegen“, berichtet Andreas Walter, der den Berg des Grauens besucht hat. Und tief beeindruckt zurückgekehrt ist: „Die Armut dort hat ein Niveau, das wir uns im Westen kaum vorstellen können.“
Dass Andreas Walter (50), Eigentümer von Jacques’ Wein-Depot in Mülheim und Oberhausen, dieser Armut überhaupt begegnet ist, hat etwas mit ihrem genauen Gegenteil zu tun: mit Luxus. Im Jahr 1996 war Walter mit einer Gruppe von Weinfreunden zu einer Genussreise in die Champagne nach Frankreich aufgebrochen. Eine tolle Tour sei das gewesen, erinnert er sich, „so toll, dass wir hinterher dachten: Wir können nicht nur genießen – wir müssen auch etwas zurückgeben“.
Seine Freunde und er, die sich zusammengetan haben in dem Verein „Deutsche Oenophilogen Gesellschaft“ und sich bis dato vor allem um Weinreisen und Weinverkostungen gekümmert hatten, fingen also an, nach Hilfsprojekten zu suchen. Blindenwerkstätten wurden unterstützt, ebenso das Friedensdorf in Oberhausen. Bald reichte das den engagierten Mülheimern und Oberhausenern nicht mehr; sie wollten ein eigenes Projekt stemmen.
Eine Idee der Vereinsmitglieder Birgit und Heinz-Gerd Dreehsen kam da gerade recht. Das Ehepaar war jüngst zurückgekehrt von einer Reise nach Manila und hatte schockiert berichtet von den Müllkindern des „Smokey Mountain“. Schnell war der Entschluss gefasst: Diesen Kinder wollte man helfen, „aber nicht nur mit einer Schale Reis“, so Walter, „sondern mit Bildung – damit sie dem Teufelskreis der Armut entkommen können“.
Kontakte wurden geknüpft über die katholische Kirche und über einen philippinischen Pater, der im Ruhrgebiet arbeitet. Gelder flossen, und so konnte 1998 ein erster Lehrer angestellt werden, der 30 Kinder unter freiem Himmel unterrichtete. Nach kurzer Zeit hatten die Schüler ein Wellblech-Dach über dem Kopf – und das Projekt wuchs weiter. Immer mehr Spender stiegen ein, eine zweite, gemeinnützige Gesellschaft wurde gegründet und etwas später die Stiftung „In Vino Caritas“.
500 Schüler und 15 Lehrer profitieren heute von der sozialen Arbeit; die Schule bietet alle Arten von Abschlüssen an. Die Lehrer wollen vor allem eins erreichen: möglichst viele Schüler vorbereiten auf ein Leben als Selbstständige. Denn damit, so Walter, habe man in dem Land die besten Möglichkeiten. „Wir haben schon viele Firmen angestoßen“, freut er sich – darunter die, die sich um die Wasserversorgung für den „Smokey Mountain“ kümmert. . .
Niemals aufgeben ist die Devise
Wer sich im Ausland sozial engagiert, muss Rückschläge verkraften können, sagt Andreas Walter. Es sei nämlich längst nicht so, dass der Einsatz der Weinfreunde nur auf Gegenliebe stoße. Der philippinischen Regierung wäre es oftmals lieber, die Welt wüsste nichts vom Schicksal der Müllkinder.
„Die größte Sauerei ist es, dass sie extra einen zweiten Müllberg für die Presse angelegt haben“, sagt Walter. Der sehe besser aus als das Original, sei gesichert und am Rande ständen Häuser, die glauben lassen sollen, man könne dort gut leben. „Dabei sind es nur Kulissen ohne fließend Wasser und Strom.“
Das reiche Manila soll bekannt werden – nicht das bitterarme. Aus diesem Grund werde die Arbeit der „Oenophilogen“ häufiger behindert. So sei der Verein einmal sogar enteignet worden. Ein Schulgebäude samt Grundstück wurde einfach entzogen. „Daher mieten wir jetzt nur noch.“ In einem anderen Fall habe der Zoll einen in Mülheim gespendeten Krankenwagen erst nach einem halben Jahr freigegeben, und zwar total verbeult.
Aufgeben würde Walter trotzdem nie: „Wenn wir wegen anderer Gesetze oder wegen Korruption einfach aufstecken würde, spielten wir ja jenen in die Hand, die solche Regeln aufstellen – und wir würden die im Stich lassen, denen wir helfen wollen.“