Die Tendenz ist eindeutig: Für drei Viertel der Bevölkerung sind die Sanierung des städtischen Haushalts die wichtigste Aufgabe der Lokalpolitik. Ein Ergebnis einer aktuellen Meinungsumfrage, die in NRW vom Forsa-Institut im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung durchgeführt worden ist. Auf den ersten Blick mag die Feststellung nicht überraschen, nimmt man aber eine weitere Aussage hinzu, ergibt sich ein bemerkenswertes Meinungsbild: Die Mehrheit der Bürger will persönlich auf etwas verzichten, damit die Kommune Geld sparen kann. 47 Prozent der Menschen wären bereit, höhere Abgaben zu leisten, wenn dadurch die Schulden abgegebaut würden. 34 Prozent würden ein eingeschränktes Angebot städtischer Leistungen akzeptieren. (siehe Kasten)
Was denken die Politiker darüber? Politische Führung wird belohnt, diese Botschaft ließe sich herauslesen. Wer nicht den Protesten irgendwelcher Lobbygruppen nachgibt, sondern eine klare und konsequent Spar-Linie durchzieht, könnte der sein, der am Ende vom Wähler belohnt wird.
Aber Mülheims Lokalpolitiker sind skeptisch. „Die Zahlen überraschen mich“, sagt SPD-Fraktionschef Dieter Wiechering. „Mich überrascht das nicht“, sagt hingegen Lothar Reinhard von den MBI. Trotzdem sind sich beide in ihrer Begründung erstaunlich einig: Politiker müssen erklären können, warum wo eingespart wird. Wiechering wie Reinhard bezweifeln, dass dies ihnen und ihren Kollegen wirklich gelingen würde. Allerdings führen sie unterschiedliche Gründe an, warum das so sei. Zwei unterschiedliche Politik-Ansätze.
Wiechering gibt den alten Politik-Fahrensmann, der dem Credo folgt: Die Menschen sind eben wie sie sind. Reinhard übt Systemkritik.
Für den MBI-Mann ist klar: „Die Bürger sind nicht egoistisch. Sie warten nur auf ein sinnvolles Sparkonzept, das sie nachvollziehen können. Und in dem die Relationen stimmen.“ Ruhrbania ist für Reinhard der deutliche Beweis dafür, dass das Verhältnis nicht stimme - nicht verwunderlich bei der MBI. „Es ist Vertrauen verspielt worden.“ Das sei das Grundproblem. Der gute Wille der Bürger wäre da, man müsse sie nur aus ihrer Politikverdrossenheit herausholen. Und Reinhard meint sich im Hinblick auf sich und seine Mitstreiter sicher sein zu können: „Wir bauen neues Vertrauen auf.“
Skeptisch heißt realistisch
Dieter Wiechering zeigt sich skeptischer. Und diese Skepsis ist aus seiner Sicht Realismus. „Man muss Erfahrung haben“, betont er. Anders könne man in dem heiklen Feld der Haushaltspolitik nicht bestehen. Die Tatsache, dass mit der Zeit immer weniger Bürger an den öffentlichen von der Stadt organisierten Foren zum städtischen Haushalt teilgenommen hätten, freut Wiechering zwar nicht. Er ist aber auch nicht überrascht. Geschweige denn enttäuscht. „Ein Haushalt ist nun einmal sehr komplex.“ Und der langjährige Fraktionsvorsitzende gibt klar zu erkennen: Er ist überzeugt, diese Systematik zu durchschauen - zumindest mehr als Bürger, die sich nur auf bestimmte Posten fokussieren würden. „Nur wer einen Gesamtüberblick hat, kann gestalten. Der Spielraum ist klein: 90 Prozent des Haushalts entfällt auf Pflichtaufgaben.“ Und man müsse immer versuchen, möglichst viele mitzunehmen: „Wir gehen ja sehr moderat vor.“ Pauschal Abgaben zu erhöhen, hält Wiechering für schwierig. Proteste seien programmiert. Dies gelte es zu vermeiden. Auch das sei eine Form der politischen Führung.