Die menschenunwürdigen Bedingungen, unter denen in Bangladesch Textilien produziert werden, sind auch nach der Fabrik-Katastrophe in Dhaka, die inzwischen über 1000 Todesopfer gefordert hat, bei den meisten Kunden weit weg, wenn sie hier schöne und billige Mode einkaufen, wie die NRZ auch kürzlich berichtete.
Forderung: Fairer Handel
Dass Nichtwissen oder Ignoranz in einer global vernetzten Welt keine Lösung sind, machten am Freitag, Juliane Rytz und ihr aus Bangladesch stammender Ehemann Hasan Heera bei einer Informationsveranstaltung deutlich, zu der die Grünen in ihre Geschäftsstelle an der Bahnstraße eingeladen hatten.
Beide haben bis zum April 2012 in Dhaka gelebt und gearbeitet, sie als Dozentin am Goethe-Institut und er als IT-Fachmann. Heute sind sie in Broich zu Hause. Nach der Fabrik-Katastrophe stehen sie aber in enger Verbindung zu einem Netzwerk um den an der Universität von Dhaka leerenden Physik-Professor, Zahid Hasan Mahmood, das den verunglückten Textilarbeiterinnen und ihren meist aus ländlichen Regionen stammenden Familien erste Hilfe leisten und ein dauerhaftes Hilfsnetzwerk für die Opfer der Fabrikkatastrophe aufbauen will.
Aus ihrer Kenntnis der unter anderem von Korruption geprägten politischen Lage in Bangladesch, glauben Rytz und Heera, dass nur privat organisierte Unterstützung auch wirklich bei den Bedürftigen ankommt. Heera, der sich in Bangladesch als Mitglied der linksliberalen Reformbewegung Kulturelle Neue Brücke engagiert, wies darauf hin, dass die jetzt verletzten und zum Teil berufsunfähigen Textilarbeiterinnen, die zum Teil für 30 Euro pro Monat täglich bis zu 16 Stunden in Textilfabriken schuften müssen, über keine Krankenversicherung verfügen. Er schätzt die Zahl der Textilarbeiterinnen, die unter ähnlich unmenschlichen Bedingungen, wie in Dhaka arbeiten müssen, landesweit auf 40 Millionen. Rytz und Heera wiesen darauf hin, dass Bangladesch derzeit der zweitgrößte Textilexporteur der Welt sei und Deutschland seine gesamte Textilindustrie inzwischen de facto ausgelagert habe. Dabei wurde deutlich, dass ein kompliziertes Geflecht auf Unternehmen, zwischengeschalteten Agenten und Subunternehmern, die nachvollziehbare Kontrolle und Durchsetzung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen in Bangladesch erschweren. Wie berichtet, sollen in der Unglücksfabrik von Dhaka auch Textilen des zur Tengelmanngruppe gehörenden Textildiscounters KIK gefunden worden sein. Angesichts der erschreckenden Erkenntnisse aus Bangladesch steht für die grüne Ratsfrau Annette Lostermann-DeNil fest, dass Mülheim zur „Fair-Trade-Town“ werden muss, in der die Stadt und ihre Bürger vom Kaffee bis zur Mode konsequent fair gehandelte Produkte kaufen. „Wir brauchen nicht 100 T-Shirts für jeweils fünf Euro im Kleiderschrank,“ glaubt Lostermann und plädiert unter anderem für gute Secondhandmode als Alternative zur fragwürdigen Billigtextilen aus Fernost.