Die Rockerszene in Nordrhein-Westfalen ist im Umbruch. Und das aus unterschiedlichen Gründen. Das machte die Polizei jetzt bei einem Pressegespräch deutlich. So würden Rocker aus Städten, in denen die Clubhäuser geschlossen wurden, nach neuen Stützpunkten suchen. Das könne dazu führen, dass in Mülheim auch schon mal Rocker etwa aus Leverkusen auftauchen. Zum anderen habe sich, wie Polizeichef Rainer Pannenbecker erklärt, die Struktur und die Zusammensetzung der Gruppen gewandelt. Früher habe es klare Hierarchien und einen Ehrenkodex gegeben. Und unter den Mitgliedern seien auch Akademiker zu finden gewesen. Der Chef der Rocker war für die Polizei, zumindest bei Veranstaltungen und Ausfahrten, ein verlässlicher Gesprächspartner, mit dem man bestimmte Dinge vereinbaren konnte. „Diese Verlässlichkeit gibt es inzwischen nicht mehr“, so Pannenbäcker. Die Hierarchien würden zunehmend aufgeweicht. Dies sein auch deshalb der Fall, weil sich mehr und mehr Mitglieder mit Migrationshintergrund in die Rockergruppen drängten. Das gelte auch für die Gruppe Satudarah, die mit den Bandidos befreundet sei. Von den Mitgliedern seien inzwischen viele mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Anwälte oder andere Akademiker, die nach Feierabend in die Rockerkutte schlüpfen, gebe es nicht mehr. Aufgeweicht habe sich auch die starke Polarisierung zwischen verfeindeten Gruppen der Bandidos und der Hells Angels. So habe es inzwischen zahlreiche Seitenwechsel hochrangiger Bandidos zu den Hells Angels gegeben. An der Eppinghofer Straße gebe es mehrere Lokale, die von den Rockern aufgesucht werden, etwa das Star Cafe am Kreisverkehr zu dessen Betreiber enge persönliche Beziehungen bestünden.

Seit einigen Jahren versuchen die Bandidos in Mülheim bereits vergeblich, ein neues Kapitel (ein Chapter, wie sie es nennen) aufzuschlagen. Deshalb haben sie sich so lange den Essenern angeschlossen. Die mit ihnen befreundeten Mitglieder von Dog Soldiers betreiben an der Hansbergstraße ein Vereinslokal. „Die Polizei schätzt, dass in Essen und Mülheim insgesamt hundert Rocker den Bandidos angehören“, sagt Kriminaloberrat Gerhard Bürgel. Er gehört im Essener Präsidium der Ermittlungskommission „Rocker“ an, die nicht kontinuierlich besteht, sondern nur zusammenkommt, wenn es besondere Ereignisse wie jüngst die Brandstiftung am Essener Bandidos-Vereinsheim erfordern. Wichtig ist aber, dass deren Mitglieder mit Informationen aus der Szene auf Laufenden gehalten werden, so dass allen das Thema vertraut sei.

Eine Gefahr durch die Rocker, die sich an der Eppinghofer Straße treffen, sieht die Polizei zunächst nicht. „Die sind nicht auf Konfrontation aus. Die wollen in Ruhe gelassen werden und dabei stört die Polizei nur“, sagt Bürgel. Es sei denn, ein Initialfunke wie Alkohol oder Drogen, sorgt für Probleme. Sorgen bereitet die Situation der Polizei noch nicht. Sie sieht keinen Grund dafür, dass Passanten die Eppinghofer Straße meiden müssten.

Pannenbäcker ist aber auch klar, dass das Anwohnern ganz anders erscheinen mag. Die Rocker legen ein Imponiergehabe an den Tag. Sie stellen ihre Maschinen zuweilen störend ab und haben auch ein Auftreten und ein Format, dass einschüchternd wirken kann. Die Polizei will weiter ein waches Auge auf die Entwicklung werfen. „Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass es Räume gibt, die uns nicht mehr interessieren“, betont er. Es ist ein Satz, der in Variationen mehrfach während des Gesprächs fällt. Die Botschaft soll klar sein: Die Polizei bleibt am Ball.