Viel Erfahrung in Krisen-Kommunikation dürfte die evangelische Fliedner-Stiftung nicht haben. So wäre zu erklären, dass das Unternehmen am Montag bestritt, was anderen leicht belegbar erscheint. Es gebe keine andauernden Differenzen zwischen Teilen der Mitarbeiterschaft, Angehörigen der behinderten Bewohner und der Unternehmensführung im Flieder-Dorf, hatte eine Sprecherin erklärt. Diese Einschätzung stand nur Stunden unwiderprochen im Raum. In der Redaktion meldeten sich gleich drei langjährig Beschäftigte. Ihre Sicht der Dinge gipfelt in dem Satz: „Der Vorstand demotiviert die Mitarbeiter.“
Gemeint ist der Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Matthias Dargel, und seine Stellvertreterin Sabine Halfen. Offiziell übernahm das Duo vor einem Jahr das Ruder, schon davor aber waren sie lange Zeit kommissarisch verantwortlich. Seitdem, so schildern es die Beschäftigten, habe sich die Atmosphäre im Dorf gewandelt. „Es wird nichts entschieden“, sagt eine Frau, die seit vielen Jahren dort arbeitet und ihren Namen nicht öffentlich lesen will, weil sie Druck befürchtet, bis hin zur Kündigung. „Ich bin in dem Alter, in dem man bei der jetzigen Führung auf der Abschussliste steht“, sagte sie. „Ich bin über 50.“
Auch die Vorsitzende des Eltern- und Betreuerbeirats, Brigitte Noetges, hatte ein fehlendes Konzept beklagt und ihre Kritik mit einem öffentlichen Hilferuf verbunden: „Wir brauchen dringend Unterstützung“. Andere Stimmen aus dem Umfeld der Einrichtung kritisieren eine „fatale Ökonomisierung“. Die Beschäftigten, die betonen, nicht für sich, sondern für viele zu sprechen, bekräftigen diese Vorwürfe und verstehen auf eine bittere Weise auch, warum der Vorstand darauf nicht eingegangen ist: „Er könnte sie nicht entkräften.“
Eine neue Kühle soll in Selbeck Einzug gehalten haben, wo 600 behinderte und nichtbehinderte Menschen leben. Gesprächswünsche von Mitarbeitern oder Angehörigen würden abgeblockt, vom Vorstand ebenso wie vom Kuratoriumsvorsitzenden Professor Paul Meusinger. Als lächerlich empfinden es die Beschäftigten daher, die Konflikte zu leugnen: „Das liegt alles in Schriftform vor.“ Viele Mitarbeiter hätten den Eindruck, dass der Geist der preisgekrönten Einrichtung dahin ist. „Wenn man die Beschaffung einer Glühbirne begründen muss und Schimmel in Bewohnerhäusern seit zwei Jahren nicht beseitigt wird, hat das Geld wohl über den Geist gesiegt“.
Einige Beschäftigte seien daher bereits gegangen, andere denken darüber nach: „Als qualifizierte Pflegekraft eine sogar besser bezahlte Stelle zu finden, ist im Augenblick nicht schwer.“ Für die behinderten Bewohner sei die Situation aber eine gänzlich andere.