Wenn man am Dienstagnachmittag am Haus D im Evangelischen Krankenhaus vorbeikommt, so kann es sein, dass aus einem Fenster im ersten Stock fröhliches Gelächter schallt oder sogar lautes Singen.

Uneingeweihte dürften sich vielleicht fragen, wer denn da so feiert. Hat doch in diesem Haus die Onkologie ihren Sitz, mit schwer kranken Menschen. Die Antwort ist vielleicht ebenso unerwartet wie einfach: Es sind die Patienten selbst, die sich dort eine Auszeit nehmen. Eine Pause von den Sorgen und Nöten um die Gesundheit, von den Schmerzen, von der Ungewissheit, wie es weitergehen soll. Das „Cafe´ Auszeit” findet seit März jede Woche auf der Station 21 statt. Bei Kaffee, Kuchen und Musik oder Theater können die Kranken und ihre Angehörige auf andere Gedanken kommen.

So wie Peter Fern. „Hier kann man mal abschalten, mal an was anderes denken”, sagt er. Wenn man viele Untersuchungen hat. Oder wenn man gar keine hat, wie er im Moment. „Die Woche kann ja so lang werden.” Cafe´ Auszeit, ja das sei schon ein passender Name dafür. Das Angebot hilft ihm, nicht daran zu denken, ob er sich nun auf eine Chemotherapie oder eine Strahlenbehandlung einrichten muss. Ende der Woche kann er nach Hause gehen. Doch jetzt lässt er sich erst einmal den Kuchen schmecken, nimmt noch einen Kaffee und summt das Lied mit, das die Krankenhausmusikerinnen Ulrike Dommer und Veronika Möllmann gerade spielen.

Das Cafe´ ist ein Aufenthaltsraum wie jeder andere auch. Hell und freundlich, mit großen Fenstern zum Innenhof. Diskret in der Ecke ein Ständer mit Broschüren die Titel tragen wie „Leukämie”, „Rachen- und Kehlkopfkrebs”, oder „Hilfe für Angehörige”.

Das zeigt unmissverständlich, wo man sich hier befindet. Doch auf den Tischen stehen frische Blumen, der Raum ist dekoriert und vor der großen Kaffeemaschine steht Linda Jupe (63) und schneidet den selbstgebackenen Kuchen in Stücke, während ihr Mann Horst (68) nachfragt, ob den noch jemand frischen Kaffee möchte.

Das Ehepaar Jupe ist die gute Seele des Cafe´s. Beide haben lange im Evangelischen Krankenhaus gearbeitet, er als Masseur, sie war 36 Jahre in der Altenpflege tätig. Jetzt sind sie Rentner und jeden Dienstag hier, beinahe jeden. Wenn sie mal Urlaub machen, springt jemand ein. Es sind mal mehr, mal weniger Besucher da, erzählen die Jupes. „Das kommt immer darauf an, wie sich die Leute fühlen. Hier sind ja Schwerkranke”, sagt Horst Jupe und ergänzt: „Wir bringen Kuchen auch ins Zimmer, wenn's gewünscht ist.”

Die Krankenhaus-Seelsorger, Pastor Matthias Fuchs und Pfarrerin Klaudia Schmalenbach, sind im Cafe´ Auszeit dabei, stehen dann auch als Ansprechpartner zur Verfügung. Wer nicht mehr laufen kann, wird trotzdem einbezogen. Wie der Patient, der sehr schwer liegt, im Raum gegenüber, im Kreise seiner Familie.

Eine Patientin geht nach kurzer Zeit wieder in ihr Zimmer. Beim Rausgehen nimmt sie Linda Jupe in den Arm, drückt sie fest. Man muss hier nicht viele Worte machen.

Man kann es aber: Am Nebentisch plaudern sie, und die Krankheit ist nicht das Thema. Die haben hier alle, das ist nichts Besonderes. „Singen Sie doch noch mal was Schönes”, bittet ein älterer Herr Ulrike Dommer. Die lässt sich nicht lange bitte – Seemannslieder kommen heute gut an, da fällt mancher mit ein. Und das Fenster ist weit auf.