Mülheim. .

Im Vorbeigehen fällt das Blau ins Auge – und macht stutzig. An einer Straßenlaterne an der Gracht pappt der Aufkleber. Eine stilisierte Jakobsmuschel zeigt er, gelbe Strahlen, die in einem Punkt zusammenlaufen. Darüber prangt in Weiß: Pilgerweg. Wohin, fragt sich der Passant, will man hier pilgern, während die Autos vorbeifahren und die U18 über die nahe Brücke rattert? Bis zum Grab des Apostels Jakobus in Spanien sind es schließlich über 2000 Kilometer. Doch der Aufkleber ist keine Finte: Auch durch Mülheim führt ein Jakobsweg.

Spätestens seit Hape Kerkeling mal weg war, ist der Jakobsweg vielen ein Begriff. Meist wird damit auf den Hauptweg verwiesen, der durch Nordspanien zum vermeintlichen Grab des Apostels führt. Doch letztlich sind alle Wege, die Menschen auf der Reise dorthin beschreiten, Jakobswege. Und weil sich Gläubige aus ganz Europa seit Jahrhunderten auf machen nach Santiago de Compostela, führen historisch begründete Pilgerrouten auch durch das Ruhrgebiet. Touristisch aufbereitet wurden sie vom Landschaftverband Rheinland (LVR).

1987 erklärte der Europarat die Pilgerwege zur ersten Europäischen Kulturstraße. 1999 entschieden die Landschaftsverbände Rheinland- und Westfalen-Lippe sich dessen in Abstimmung mit der Deutschen St.-Jakobus-Gesellschaft anzunehmen und erforschten seitdem einzelne mittelalterliche Wegabschnitte. 2001 wurde die erste Verbindung von Wuppertal nach Aachen in Angriff genommen.

Die Route durchs Revier ist die inzwischen neunte und wurde – klar! – im Kulturhauptstadtjahr 2010 eingerichtet. „Der Weg Neun“, berichtet LVR-Sprecherin Simone Hengels, „zeichnet die 1377 unternommene Reise des römischen Kaisers Karl IV. nach, der sich in Paris mit seinem Neffen, dem französischen König Karl V., treffen wollte. Aufgrund seiner ausgeprägten Reliquienfrömmigkeit verstand er seine Reise auch als Pilgerfahrt.“

Die heutige Route zeichnet den Weg nicht genau nach, sondern orientiert sich nur am historischen Verlauf. Schließlich sind Pilger heute wandernde Touristen und sollen etwas geboten bekommen. So führt die Mülheimer Strecke etwa durch die Altstadt und die Müga.

Eine „rege“ Nachfrage nach dem Pilgerführer Band 9 macht Simone Hengels aus. Bei der Mülheimer Touristinfo wählt man ein anderes Adjektiv: Marc Baloniak von der MST nennt die Nachfrage „überschaubar“. Nun sei das Ruhrgebiet auch kein klassisches Wander-Ziel, hier ist man lieber auf zwei Rädern unterwegs: „Fahrradtourismus“ sei viel eher ein Thema für die Region.

Doch vielleicht ändert sich das: Mit einer Stele will der LVR den Pilgerweg mehr in die Öffentlichkeit rücken. Diese soll auf dem Kirchenhügel aufgestellt werden und auf das Tersteegenhaus verweisen. Erstellt ist die Stele bereits, sagt Baloniak, wann sie aufgestellt wird, ist jedoch noch unklar: „Dazu muss es erst wärmer werden.“

Info: „Weg 9“ des LVR führt durch das Ruhrgebiet und zeigt verschiedene Teilstrecken auf, über die man pilgern kann. „Variante B“ beschreibt den Jakobsweg von Essen nach Duisburg – quer durch Mülheim.

„Vom Dom aus geht es durch die Fußgängerzone von Essen bis zur ehemaligen Rheinischen Bahn. Ihrer Trasse folgt der Weg bis zum Terrassenfriedhof in Essen-Schönebeck. Von dort geht es am Bahndamm entlang und schließlich hinab in die Innenstadt von Mülheim. Mit der Schloßbrücke gelangt man auf die andere Ruhrseite zum Schloß ­Broich auf dem Gelände der Mülheimer Landesgartenschau. Entlang eines ehemaligen Bahngeländes geht es nach Speldorf. Im Stadtwald von Mülheim führt der Weg an der Wolfsburg vorbei und überquert die Autobahn A3. Vom Campus Duisburg der Universität Duisburg-Essen verläuft der Weg schließlich durch die Innenstadt zur Salvatorkirche.“