„Seit gestern habe ich Urlaub“, sagt Helmut Kämpgen und lächelt. Der Urlaub, von dem der Pfarrer aus der Lukasgemeinde spricht, ist sein Ruhestand. Den letzten Arbeitstag in seinem Eppinghofer Gemeindebezirk hat er bereits hinter sich, seine offizielle Verabschiedung, die am Ostersonntag in der Johanniskirche gefeiert wird, noch vor sich.
Hat der Pfarrer und Notfallseelsorger, den viele Mülheimer auch als engagierten Mitinitiator des Bündnisses für Bildung kennen, keine Angst vor einem Rentenschock?
„Wenn ich von 100 auf Null gehen würde, würde ich das wahrscheinlich nicht verkraften“, gibt Kämpgen zu. Deshalb will der Pfarrer außer Diensten, der seine Pensionsverfügung bereits zugeschickt bekommen hat, den Ruhestand nicht allzu wörtlich nehmen. „So lange ich das gesundheitlich kann, will ich auch weiterhin als Notfallseelsorger arbeiten,“ betont Kämpgen. Auch Gottes- und Besuchsdienste möchte er absolvieren und sein Engagement für das Stadtteilmanagement in Eppinghofen sogar noch intensivieren. Die mit seinem Pfarramt verbundene Verwaltungs- und Organisationsarbeit lässt er dagegen gerne hinter sich.
Gerne geholfen
Man wundert sich, wenn Kämpgen im Rückblick auf seine bisher 150 Einsätze als Notfallseelsorger und die rund 1000 Beerdigungen, die er als Pfarrer begleitet hat, sagt: „Das habe ich immer besonders gerne gemacht.“ Warum, um Gottes willen? „Weil ich in diesen Situationen eine besonders intensive Beziehung zu Menschen aufbauen kann und das Gefühl habe, dass ich ihnen in dieser extremen Ausnahmesituation des Schmerzes besonders gut helfen kann“, sagt der Seelsorger. „In solchen Situationen konnt es nicht auf gescheite Sätze, sondern vor allem auf die eigene Präsenz, gut tuende Gesten und auf die Ruhe an, die man mitbringt.“ Diese Ruhe strahlt der dreifache Familienvater, der inzwischen auch eine kleine Enkeltochter hat, tatsächlich aus und das in wohltuender Fülle.
Dass er, wie er selbst sagt: „eine starke Sensibilität für belastete Menschen hat“, erklärt Kämpgen mit seiner eigenen Biografie. Als 23-jähriger Theologiestudent musste er den Krebstod seiner Verlobten miterleben. „Ich habe mich damals auf besondere Weise getragen gefühlt“, erinnert sich Kämpgen. Es war nicht nur sein christlicher Glaube, der ihn damals trug, sondern auch Menschen, die ihm immer wieder zuhörten, wenn er von seiner Trauer erzählte.
Damals hat er das erfahren, was er heute ohne viele Worte als Trauerbegleiter und Notfallselsorger Menschen nach Schicksalsschlägen auf den Weg durch ihr weiteres Leben mitgibt. „Man kann der Trauer nicht ausweichen, sondern nur mitten durch gehen, um zu erfahren, dass man auch mit dem Schmerz sein Leben gut gestalten kann.“ Denn aus seiner eigenen Lebenserfahrung weiß Kämpgen, „dass der Schmerz über einen Verlust einen nicht nur kaputt machen, sondern auch reifen lassen kann.“
Reifen muss, daran lässt Bürger und Seelsorger Kämpgen keinen Zweifel, auch „der Respekt davor, dass jeder Mensch in unserer Gesellschaft das Recht auf ein gelungenes Leben hat.“
Und deshalb wird der Kirchenmann auch im Ruhestand für den Erhalt von Lebenschancen der Menschen in Eppinghofen kämpfen. Und dazu gehört für ihn auch der Erhalt des Schulstandortes an der Bruchstraße.
Mit Blick auf unsere zunehmend multikulturelle und vom demografischen Wandel geprägte Stadtgesellschaft steht für Kämpgen fest: „Man muss doch dort Bildungs- und Integrationsarbeit leisten, wo die Menschen leben, die eine Identität gewinnen und sich integrieren sollen.“
Kirche muss Stadt finden
Kinder und Jugendliche, unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft optimal zu fördern, ist für den Pfarrer im Unruhestand kein Gutmenschentum, sondern schlicht notwendig, „wenn die Kinder und Jugendlichen von heute morgen und übermorgen unsere Renten bezahlen sollen.“ Deshalb rät er auch seiner eigenen Kirche: „Kirche muss Stadt finden und auf alle Menschen zugehen, auch wenn sie vielleicht keine Christen sind.“