Mülheim an der Ruhr. .
Es gab einen Moment im Leben von Barbara und Claudia Hofelich, der hat alles verändert. Es war nur ein kurzer Anruf, der sie im Urlaub an der Nordseeküste ereilte. Doch die Nachricht war überwältigend, „wie ein Sechser im Lotto“, so Claudia Hofelich (46). Sie bescherte den Hofelichs großes Glück: ein Kind.
Dass sie so schnell Eltern werden könnten, damit hatte keine der beiden Mülheimerinnen gerechnet. Sie hatten doch gerade erst angefangen, sich um ein Pflegekind zu bemühen. Hatten bei der Behörde angerufen und sich erkundigt, ob etwas gegen lesbische Pflegeeltern einzuwenden sei. Keinesfalls, lautete die beruhigende Antwort. Daraufhin hatten die Frauen, die seit Jahren in eingetragener Lebenspartnerschaft leben, erste Gespräche geführt, von ihrem bisherigen Leben als Krankenschwester und Juristin berichtet und sich ihr künftiges Leben ausgemalt – als Mama und Baba. (Wobei Baba kein Ersatz für Papa ist, sondern die Koseform von Barbara. . .)
Ein Mädchen von vielleicht drei Jahren käme in Betracht, hieß es, eines das laufen und sprechen könne. Irgendwann im Jahr 2010 könne es soweit sein, lautete die Prognose. „Wir haben deshalb im November 2009 noch Urlaub gemacht – wir wussten ja nicht, wann etwas passiert“, berichtet Barbara Hofelich (41). Genau im Urlaub aber, als sie im Mühlen-Café in Greetsiel saßen, ging besagter Anruf ein. . .
Hofelichs fuhren mit klopfendem Herzen zurück – jetzt also sollte es ein Säugling sein, noch dazu ein Junge. So hatte es sich Claudia Hofelich insgeheim immer erträumt, „und ich wusste, die Chance kommt nicht wieder“. Dass der Winzling nicht gesund ist, womöglich sogar schwerst behindert, war kein Hinderungsgrund für die Krankenschwester, die schon mit Behinderten gearbeitet hatte. Im Gegenteil: „Ich wusste, der hat niemanden. Und ich wollte ihn unbedingt.“ Nach kurzer Bedenkzeit sah ihre Frau das zum Glück ganz genauso.
Jonas war zur Adoption freigegeben
In null Komma nichts also musste eine kindgerechte Wohnung her: Möbel, Kleidung, Nahrung. 13 Tage nach der Geburt kam es zur ersten Begegnung mit Jonas: diesem kleinen, süßen Kerl mit den stahlblauen Augen und den vielen Haaren. Die leiblichen Eltern hatten den Jungen zur Adoption freigegeben – „sie waren jung und hatten die Sorge, der Aufgabe nicht gewachsen zu sein“, sagt Claudia Hofelich. Die Diagnose kannten sie nicht.
Eltern zu sein: Die Hofelichs haben diese Aufgabe gern angenommen – dabei war der Start nicht einfach. Monatelang ging es Jonas schlecht, war er in der Klinik. Mittlerweile ist klar, dass er einen Gen-Defekt hat, dazu an einer Tetraspastik leidet und Epileptiker ist. Die Eltern beschreiben ihn als „wachen Geist in einem bewegungsarmen Körper“. Er spricht (noch) nicht, kann aber per PC kommunizieren.
„Jonas hat uns erst vollständig gemacht“, sagt Claudia Hofelich, „er ist die Sonne in unserem Leben.“