Mülheim an der Ruhr. .
Mutige Menschen mit innigem Kinderwunsch gesucht! So könnte eine Anzeige lauten, aufgegeben von Mitarbeitern der städtischen Adoptionsvermittlung.
Anders als in früheren Jahren besteht heute ein Mangel an Männern und Frauen, die sich ein Leben als Adoptiv- oder Pflegeeltern vorstellen können. Die Annahme, es gebe endlos lange Wartelisten und somit nur geringe Chancen auf ein Kind, ist schlicht falsch, sagt Adoptionsvermittlerin Andrea Rumswinkel.
Die allgemeine gesellschaftliche Situation spiegelt sich in Rumwinkels täglicher Arbeit wieder: „Bei immer weniger Menschen sieht die Familienplanung Kinder vor – deshalb wenden sich auch immer weniger Menschen unseren Kindern zu.“ Eine der Folgen sei, dass mittlerweile auch Männer und Frauen jenseits der 40 für die Adoption selbst kleinster Kinder in Betracht kommen; das war früher nicht so.
Längst spielt das klassische Familienbild von Vater, Mutter, Kind keine entscheidende Rolle mehr, sind homosexuelle Eltern ebenfalls willkommen. Die gemeinsame Adoption durch ein gleichgeschlechtliches Paar ist zwar nach wie vor ausgeschlossen; im Bereich Pflege aber sieht’s anders aus, wie die Geschichte von Jonas auf Seite 3 zeigt.
Für Andrea Rumswinkel ist das Geschlecht unerheblich; sie möchte jedermann/-frau ermutigen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. „Es ist nicht wichtig, was drauf steht, sondern was drin ist“, sagt sie. Entscheidend sei allein die Persönlichkeit potenzieller Eltern: „Wir suchen lebensfrohe, lebensbejahende Menschen, die mit schwierigen Situationen umgehen können. Menschen, die den Kindern verlässliche Beziehungen bieten, ihnen ein Zuhause geben können.“
Nur drei vorgeprüfte Paare, die adoptieren möchten, führen Rumswinkel und ihre Kollegen derzeit in der Kartei. Vermittelt wurden im vergangenen Jahr vier Kinder.
Nicht jeder will adoptieren; viele engagieren sich auch für Pflegekinder. 139 gibt’s davon aktuell in der Stadt. Zentraler Unterschied ist, dass Pflegeeltern zum Kontakt mit den leiblichen Eltern und dem Amt bereit sein müssen. Sie übernehmen etwa die Bereitschaftsbetreuung, die eintritt, sobald ein Sozialarbeiter entscheidet, dass ein Kind bedroht ist und aus seiner Familie herausgenommen werden muss. Zehn Familien stehen für solche Fälle bereit; bis zu drei Monaten kümmern sie sich. Die meisten Pflegeeltern (rund 100 Familien) aber sind aktiv im Bereich der Vollzeitpflege, was bedeutet, dass das Kind mindestens bis zum 18. Geburtstag bei ihnen ist.