Die Zweitwohnungssteuer sollte der Stadt einen warmen Geldregen bescheren. Nun wird immer mehr klar, dass die Verwaltung auf das falsche Pferd gesetzt zu haben scheint, denn die Anzahl der „Karteileichen“ könnte ins Groteske steigen: 8011 potenziell Steuerpflichtige hatte das Mülheimer Melderegister ins Visier genommen, gab für der Suche 93 000 Euro aus. Doch nun gibt es immer mehr Rückmeldungen von Personen, die seit Jahren keinen Wohnsitz mehr in Mülheim haben und dennoch von der Stadt angeschrieben wurden. Doch dafür hat die Verwaltung nun eine Erklärung, wenn auch eine, die den Glauben an einen Geldregen erschüttert:

Über 5 000 „Karteileichen“ möglich

„Bis zum Juni 2004 musste man bei einer Verlegung des Wohnsitzes eine Abmeldebescheinigung der Stadtverwaltung vorlegen“, heißt es aus dem Bürgeramt der Stadt. Nur dann konnte man bei seinem neuen Wohnsitz ordnungsgemäß gemeldet werden. Allerdings konnte diese Behördengang umgangen werden. Nämlich dann, wenn der alte Wohnort als Zweitwohnung umgeschrieben wurde. Das passierte Teils ganz automatisch und galt lange Zeit, mangels Zweitwohnungssteuer, als probates Mittel.

Nun ergab eine Nachfrage bei der Stadt, dass 70 Prozent der 8011 Zweitwohnungsbesitzern ihre Anmeldung in Mülheim vor besagten Datum vor neun Jahren gemacht haben.

Theoretisch könnten also 5 600 Personen lediglich zu bequem gewesen sein, ihren Wohnsitz abgemeldet zu haben, und würden damit in der Liste auftauchen, die der Stadt 240 000 Euro an Steuererträgen bringen sollte. Doch mit jeder „Karteileiche“ sinkt die Zahl der potenziell Steuerpflichtigen. Eine Nachfrage im Bürgeramt, wie es damals um das ordnungsgemäße Abmeldeverhalten der Bürger bestellt war, bringt kein Ergebnis. Das wisse man nicht, doch „die Wahrscheinlichkeit spricht aber eher für wenig Abmeldungen“, gesteht Uwe Schrader, Abteilungsleiter Bürgerservice.

Der Böblinger Schreibenempfänger, der vergangene Woche den Anstoß dazu gab, Wunsch und Wahrheit bei den Zweitwohnungssteuereinnahmen zu ermitteln, versicherte indes auf Nachfrage, dass er eine offizielle Abmeldung bei der Stadt Mülheim vorgenommen hatte. Er dürfte selbst als einer der vielen Einzelfälle nicht im Stadtregister gestanden haben

So oder so, für die Stadt wird es schwierig, die für die erwarteten Einnahmen notwendigen 550 steuerpflichtigen Bürger zu gewinnen. „Denn es bleiben ja nur noch die Studenten. Und von denen werden sicherlich viele ihre Zweitwohnung abmelden, sollte die Steuer für sie gelten“, prophezeit Lothar Reinhard, Fraktionssprecher der Mülheimer Bürger-Initiativen im Rat: „Dann kann die Stadt nur noch von den Karteileichen ihre Steuer einziehen.“