Er führt seine Zuhörer bis an die Grenzen der Geschmacklosigkeit, Taktlosigkeit und Zitierbarkeit. Vulgär und flächendeckend wird beleidigt: Juden, Moslems, Schwule, Behinderte, Vegetarier – und auch Mülheimer. Doch Serdar Somuncu macht das, weil er zeigen will, dass diese Grenzen heuchlerisch sind.

„Schwule haben sich selten beschwert, wenn ich Witze über Juden mache, und Juden beschweren sich auch nie, wenn ich etwas über Behinderte sage. Wenn es die anderen betrifft, dann lachen sie herzlich mit. Das ist die Verlogenheit unserer Gesellschaft, die versteckte Intoleranz“, sagt Somuncu. Gleich zu Beginn seines Programms „Hassprediger Reloaded“ am Freitag in der ausverkauften Stadthalle stellt der Türke klar, was der Abend sein soll: Das Prinzip sei Verwechslung, den Unterschied zu erkennen von dem, was er meint und was nicht. „Das können die Kritiker nämlich nicht“, klagt Somuncu, der schon oft im Fernsehen zensiert wurde.

Doch seine „Jünger“ in der ausverkauften Stadthalle scheinen eh zu wissen, worauf sie sich eingelassen haben. Sie lieben ihn und verzeihen ihm gerne, dass er auch sie beleidigt. Er macht einen Judenwitz und meckert, wenn das Publikum lacht („So seid ihr drauf? Guckt noch mal auf die Karte, da steht nicht Oliver Pocher“).

Kollegen, Kölner, die katholische Kirche und auch Türken, alle kommen dran. Auch seine Zuhörer, als Somuncu plötzlich türkisch redet. „Jetzt müsste jemand übersetzen, ne? Die Türken haben alles verstanden, als ich die ganze Zeit Deutsch geredet habe. Wir sind seit 50 Jahren hier und keiner hat türkisch gelernt.“ Somuncu hat jedoch auch weniger versteckte Botschaften dabei, die er in den Saal hinaus schreit: „Es gibt viele Einflüsse in Deutschland, und wir können dankbar sein, dass es diese Einflüsse gibt“, oder: „Eine differenzierte Haltung zu entwickeln ist Bürgerpflicht Nummer Eins“.

Tatsächlich ist der Abend nicht nur zeitweise grenzwertig und richtig lustig, sondern auch schmerzhaft wahr und streckenweise richtig anstrengend. Somuncu wandelt zwischen grenzenlosem Humor und moralischem Vortrag. Er ist tatsächlich Prediger, predigt in Wahrheit jedoch nicht von Hass, sondern von ehrlicher Toleranz.