Mülheim an der Ruhr. .
Der vermutlich jüngste Gast, der achtjährige Lukas, ist mit seiner Mutter Anna Marie Sarkhoch um 19 Uhr ins Medienhaus gekommen. Er steht aufgeregt und stolz der Bodypainterin Nicole Heyduck Modell. Sie sprüht ihm sorgfältig im Airbrush-Verfahren ein buntes Chamäleon auf die nackte Brust. Das will er am Montag unbedingt den Klassenkameraden zeigen – wie es der Zufall will, ist er in der Chamäleon-Klasse. „Also wird jetzt eine Zeit lang nur geduscht und nicht gebadet“, verspricht die Mutter ihrem Sohn lächelnd. „Wir haben vor einigen Tagen von dem Abend erfahren und dachten, es gebe ein Kinderprogramm und es werde vorgelesen. Aber das ist natürlich auch etwas ganz Besonders. Wir kommen regelmäßig ins Medienhaus und leihen Bücher aus.“
Unter dem Motto „Deine Bibliothek – wilder als Du denkst!“ nimmt das Medienhaus an der nordrhein-westfälischen Nacht der Bibliotheken teil, will vor allem die Jugendlichen für sich gewinnen, ihnen den Besuch des Medienhauses näher bringen. Deshalb soll das abendliche Angebot mit dem Auftritt der Band Tjildron, einigen Poetry-Slammern, einer Profi-Bodypainterin und dem Schminkkurs primär Teenager anlocken, erklärt Leiterin Claudia vom Felde. Das klappt nicht ganz, denn nach und nach trudeln zwar über 100 interessierte Besucher ein, die meisten sind aber eher mittleren Alters.
Gut besucht wird die Vorführung des kultigen Films aus dem Jahr 1970 „Meilenweit von nirgendwo“ von Renate Golz-Fleischmann. Auch einige der ehemaligen Laiendarsteller sitzen im Publikum. Die Wortkünstler und die junge Mülheimer Band sorgen mit Poesie und fetzigem Rock für Begeisterung. Fünf elf- und zwölfjährige Mädchen werden von ihren Eltern gebracht, um sich erste Schminktipps vermitteln zu lassen – kein grelles Party-Make-up, sondern sie werden von der Imageberaterin Anke von Garrel angelernt, dezente Farben zur Unterstreichung ihres Typs zu verwenden. Andere Besucher nutzen den Abend, um in Ruhe zu stöbern oder sich etwas auszuleihen. Das Chamäleon hat übrigens Hochkonjunktur: Lionel Blinkert (13), regelmäßiger Gast im Medienhaus, wählt das Motiv für den Oberarm. Die frisch geschminkten Mädels sehen staunend zu, wie das Kunstwerk Form und Farbe annimmt.
Längst mehr als eine Bücherei
„Wir möchten einen anderen Status bekommen, kein reiner Ausleihbetrieb sein“, sagt Claudia vom Felde. Das gelinge schon mit der Mittwochsreihe und Anjas Singabend und soll ab April um dienstägliche „LiteraTouren“ erweitert werden. Es werde eine Mischung aus Slam-Poetry, Liedermacher-Kunst und Literatur geboten. „Wir stellen fest, dass sich Schüler und neuerdings auch Studenten hier verabreden. Man kann sich zurückziehen, gut in Gruppen arbeiten. Wir haben jetzt auch Wireless-Lan mit einem starken Netz, mit dem Bibliotheksausweis kostenlos nutzbar. Die 12- bis 18-Jährigen versuchen wir über freie Angebote zu begeistern. Poetry Slamer wie Jonas Jahn geben Workshops in den Schulen, das kommt gut an.“ Claudia vom Felde betont, dass auch städtische Netzwerke die Medien des Hauses zunehmend nutzen. Mit 15 Laptops könne man Führungen und Workshops realisieren.