Was das Segelfliegen betrifft, da macht Günter Osiander so schnell keiner was vor. Seit Jahren ist er im Aero-Club Mülheim tätig. Jetzt wird Osiander 84 Jahre alt und steigt immer noch in den Flieger.
Angst kennt Günter Osiander nicht. Weder Todes- noch Höhenangst. „Ich habe nur Respekt. Vor der Natur.” Günter Osiander ist der älteste Flieger Mülheims, am 16. Februar feiert er seinen 84. Geburtstag. Er ist ein Mann des Himmels. Ein Mann, der über den Wolken zur Ruhe kommt. Ein Leben ohne die Fliegerei, ohne seinen geliebten Motorsegler, ohne seine Fliegerkollegen vom Aero-Club Mülheim? Für Günter Osiander unvorstellbar.
Die Stille des Himmels ist es, die ihn fasziniert. Sie zieht in trotz seines Alters immer wieder magisch an. Sie zieht ihn zu sich in die Höhe. „Meine fünf Jungs”, sagt er, „die kümmern sich um mich. Die helfen mir in jeder Lebenslage.” Die Jungs sind zwischen 44 und 73 Jahren und sind wie er begeisterte Himmelsstürmer. Wenn sie Entzugsentscheidungen spüren, dann planen sie spontan den nächsten Flug. „Fliegen ist wie eine Sucht”, sagt Günter Osiander. Seine Ehefrau, die vor 15 Jahren starb, hatte Osianders Begeisterung geteilt. „Meine Frau habe ich angesteckt”, erzählt er stolz. Sie flog viele Jahre selbst, übernahm im Mülheimer Verein Aero-Club sogar Ämter. Ansonsten wäre dem alltäglichen Eheleben auch ein bedeutsames Gesprächsthema vorenthalten geblieben.
1984 war ein Meilenstein im Leben des Günter Osiander: Der Mülheimer kaufte sich den Motorsegler Taifun 17 E. Das ist sein Schätzchen, damit will er noch möglichst lange fliegen. In seiner 2005 veröffentlichen Chronik „Fliegerische Bilanz” spricht er liebevoll von seinem neuen Spielzeug, schwärmt, dass der „Heißhunger” noch lange nicht gestillt sei. Diese Aussage hatte bereits 1984 ihre Gültigkeit und hat sie bis heute nicht verloren. Nur eines hat Osiander mittlerweile aufgegeben: Der Mülheimer steigt nicht mehr alleine in den Motorsegler. „Das wäre in meinem Alter dann doch unverantwortlich”, sieht er ein. Einer seiner „Jungs” begleitet ihn immer. Mal nach Usedom, mal nach Freiburg, mal nach Koblenz.
Doch Günter Osiander ist nicht nur viele Jahre selbst geflogen, er setzte seine Fähigkeiten auch für den Mülheimer Verein ein. Der Architekt Osiander baute das Clubhaus und die Flugzeughalle. Der Fluglehrer Osiander weihte 350 Flugschüler in die Kunst des Fliegens ein. Der Theorielehrer Osiander ist seit 53 Jahren aktiv. Immer noch unterrichtet er Aerodynamik und Meteorologie. Er bringt seinen Schülern bei, wie wichtig Genauigkeit und eine genaue Kenntnis der Umgebung ist. Penibel hält er auch in seinen eigenen Statistiken alles fest: 12978 Flüge mit 6500 Flugstunden hat er erlebt. Auf 100 Flugstunden kommt er normalerweise immer noch pro Jahr. 2008 waren es aber nur 75. Die neue Hüfte war Schuld.
Für andere Hobbys bleibt dem Rentner keine Zeit, zu oft ist er im Clubheim anzutreffen. Auch der Fernseher bleibt meistens still. Findet er dann doch einmal die Zeit, den Anschalt-Knopf zu drücken, dann hat dreht es sich - natürlich - in den Reportagen ums Fliegen. Freiwillig wird Günter Osiander seine himmlischen Ausflüge nicht beenden. Nur die Gesundheit - die könnte ihn irgendwann einmal zwingen: „Hoffentlich bleibt mir bis dahin noch viel Zeit.” Dem Himmel auf Erden will Günter Osiander noch lange erhalten bleiben.