Ein Wort, das im Gespräch oft fällt, ist „individuell“. Für Außenstehende mag das seltsam klingen, das Bemühen, dem Tod Individualität zu geben. Doch Claudia Kawelke und Jan Juranek machen es zum Zentrum ihrer Arbeit, damit Menschen auch das Ende ihres Lebens genießen können. Beide gehören zum hauptamtlichen Pflegeteam des Mülheimer Hospizes.

Am Anfang stand bei Claudia Kawelke Ablehnung: Die Krankenschwester arbeitete zuletzt im häuslichen Bereich und erlebte da, „wie in unserer Gesellschaft gestorben werden darf“ und entschied, auch eine privaten Erfahrung: „Das geht so nicht.“ Ein „selbstbestimmteres Sterben“ wünscht sie sich und macht deshalb aktuell eine zusätzliche Ausbildung, „Palliativcare“ ist auf die Hospizarbeit zugeschnitten.

Auch für Jan Juranek war das Hospiz nicht die erste berufliche Station: Der Altenpfleger arbeitete zuvor in einer Senioreneinrichtung und spürte den Wunsch, Menschen „würdevoll auf dem letzten Weg zu begleiten und ihnen die Angst zu nehmen“. Der 32-Jährige sieht „es als Herausforderung, den Menschen einen guten Abschied zu ermöglichen, Hand in Hand mit den Angehörigen“.

15 Hauptamtliche arbeiten im Hospiz, immer zwei Mitglieder des Pflegeteams sind mindestens vor Ort und betreuen die elf Gäste. „Das“, sagt Judith Kohlstruck, die das Mülheimer stationäre Hospiz leitet, „mag sich nach Luxus anhören“, doch auch im Hospiz sind Pflege zeitliche Grenzen gesetzt. „In der häuslichen Pflege habe ich für eine Ganzkörperwaschung 30 Minuten. Die habe ich hier theoretisch auch, aber tatsächlich dauert das vielleicht eine Stunde, weil der Gast so entkräftet ist“, nennt Claudia Kawelke ein Beispiel. Da sind die Pflegekräfte froh, von Ehrenamtlichen unterstützt zu werden, die frei von jeglichem Zeitdruck agieren können.

Zur Palliativpflege, sagt Jan Juranek, müsse man „einen Draht haben“. Er empfindet diese Arbeit nicht nur „individueller“, sondern auch „intensiver“. Dennoch ist dem Team vor allem wichtig, Normalität vorzuleben. „Wir wollen den Gästen vermitteln: Hier darf ich so sein, wie ich bin. Hier kann ich Alltag leben und auch das tun, was zu Hause vielleicht nicht mehr geht“, erklärt Claudia Kawelke.

Die 45-Jährige betont, dass ein Hospiz kein trauriger Arbeitsplatz ist: „Hier gibt es Tränen, aber auch Lachen. Beides findet man Tür an Tür.“ Und dann erzählt sie von dem Herrn, der bis zum Ende mit Vorliebe aus vollem Hals sang. Mit einem Lied auf den Lippen gehen zu dürfen, das ist für die Pflegekräfte eben die Individualität, die sie sich wünschen, denn: „Sterben ist auch ein Stück weit Vertrauen. Es geht nicht bei jedem.“