Die Sozialagentur, Eppinghofer Straße, Erdgeschoss. Im Wartezimmer informieren große Flipcharts über Leistungsansprüche, Hartz IV-Anträge und Kostenübernahmen. Und auf einem weißen DIN-A 4 Zettel auch über die Befreiung vom Rundfunkbeitrag. „Irgendwo“ zumindest. Auch Matthias Spies, Leiter der Sozialagentur, weiß es nicht so genau. Nach Erhebungen der Bundesagentur für Arbeit aus dem Jahr 2011 zahlen deutschlandweit 53,4 Prozent der Sozialleistungsempfänger den Rundfunkbeitrag von 17,98 Euro monatlich. Und das, obwohl sie eigentlich davon befreit wären. Nimmt man diese Zahlen als Grundlage unterstützen in Mülheim 9 304 Menschen die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten bei der Ausstrahlung ihres Vollprogramms. Monat für Monat mit 167 289 Euro, stolze 2 007 406 Euro im Jahr. Zu Unrecht. Und der Aufschrei ist? Nicht vorhanden.
„Wir erheben nicht, ob sich ein Hartz IV-Empfänger von den Rundfunkbeiträgen befreien lässt“, gibt Spies indes auf Nachfrage zu. Ebenso muss er zugeben, dass die Einsparmöglichkeit von jährlich 215,76 Euro nicht standardmäßig Thema der Beratungsgespräche wird. „Wir haben allerdings nicht gedacht, dass dies ein solch großes Thema sein könnte“, erklärt der Agenturleiter. Bislang nämlich wurden nur auf Wunsch der Betroffenen die nötigen Formulare abgezeichnet. Allerdings nur dann, wenn derjenige selbst aktiv wurde.
„Ich glaube, viele wissen überhaupt nicht, dass sie sich befreien lassen können“, glaubt indes AWO- Geschäftsführerin Adelheid Zwilling. In der AWO-Schuldnerberatungsstelle werde bei den Beratungsgesprächen immer wieder konstatiert, dass der ehemalige GEZ-Beitrag noch immer fester Bestandteil auf der Ausgabenseite vieler Bedürftiger sei. „Wir klären das dann sofort auf, und versuchen bei dem Ausfüllen der Befreiungsformularen zu helfen“, so Zwilling. Nun überlegt auch die Sozialagentur, diesen Service in ihre Beratungsgespräche einzubeziehen, wenngleich ihr Leiter relativiert: „Eigentlich sind die Formulare ja relativ verständlich. Da sollte jeder alleine darauf kommen.“ Relativ einfach, und doch ein weiteres Formular im Antragsdickicht des Sozialstaatsgefüges: Zwilling dazu:„Überforderung ist da doch keine Seltenheit. Da wundert es nicht, dass viele auf ihr bares Geld verzichten.“