Mülheim.
Klagen über den zunehmenden Druck auf die Schüler an Gymnasien seit der Schulzeitverkürzung gibt es von vielen Seiten. Es bliebe den Schülern zu wenig Raum, um in der Freizeit, etwa im Sportverein, abzuschalten und sich auszutoben, heißt es. Jetzt reiht sich das Theater in die Schar der Kritiker ein, allerdings aus einer ganz anderen Perspektive, denn da sie Klassiker spielen, die auch im Abitur vorkommen, sind die Aufführungen von Kabale und Liebe etwa ausverkauft.
Theaterpädagoge Bernhard Deutsch merkt deutlich, dass der Druck im Deutschunterricht seit der Umstellung auf G 8 gewachsen ist. „Von der Theateraufführung werde immer erwartet, dass sie auch im Hinblick auf die Klausur etwas bringt“, erzählt der 62-Jährige. In dieser Saison hat er bereits an 22 Schulen mehrstündige Workshops mit 500 Teilnehmern geleitet, nicht nur in Mülheim, sondern auch in Duisburg, Dortmund und Coesfeld, eben dort, wo das Theater an der Ruhr mit Schiller, Woyzeck, Iphigenie oder Antigone aufgetreten ist.
In einem Extremfall hatte eine Lehrerin an dem Abend an die Schüler einen dreiseitigen Fragebogen verteilt, den die sie während der Aufführung ausfüllen mussten und dazu ihr Handy als Taschenlampe zur Hilfe nahmen. So eine Funktionalisierung findet der Theaterpädagoge unmöglich, weil die Schüler so gar nicht mit allen Sinnen in die Aufführung eintauchen können. An dem Abend müsste das Emotionale im Mittelpunkt stehen, müssten sie sich von der Magie der Bühne in ihren Bann ziehen lassen. Das Angebot einer Nachbesprechung würden allerdings nur wenige Klassen wahrnehmen, obwohl die Aufführungen extra für 18 Uhr angesetzt werden, damit für den Austausch noch genügend Zeit bleiben kann. Dann heiße es, die Schüler müssten nach Hause, um am Morgen fit für den Unterricht zu sein.