In der Schule würde man sagen: Versetzung gerade noch bestanden. Befriedigen kann das nicht. Beim Fahrradklimatest des ADFC, der Interessenvertretung der Radfahrer, schnitt Mülheim mit 3,9 ab und belegte in der Klasse der Städte zwischen 100 000 und 200 000 Einwohner den 20. von 42 Plätzen. Im Vergleich zur letzten Befragung 2005 ist damit weder ein Fort- noch ein Rückschritt zu erkennen. Die Spanne zwischen Spitzenreiter (Erlangen) und dem Tabellenletzten (Pforzheim) ist allerdings von 3,12 bis 4,8 relativ schmal. Zu berücksichtigen ist, dass es eine Befragung ist, bei der die Teilnehmer selbst aktiv werden mussten, ohne dass sie den Fragebogen vorgelegt bekamen oder durch Interviewer motiviert wurden. Die Antworten sind subjektiv und nicht repräsentativ.

Positiv findet ADFC-Sprecherin Doro Kleine-Möllhoff, dass sich dieses Mal deutlich mehr Radler an der Befragung beteiligten als 2005. 152 waren es dieses Mal exakt. Das ist für sie ein Indiz, dass das Fahrradfahren wichtiger geworden ist in der Stadt, und sich die Fahrradfahrer auch stärker für ihre Belange engagieren wollen. In anderen Städten waren es deutlich mehr – bis zu 853. Mülheim bewegt sich im Mittelfeld. Einige Ausreißer fallen auf.
Überraschend, die überdurchschnittlich positiv Bewertung der Fahrradvermietungs-Angebote (2,13). Immerhin gibt es zwei Angebote in der Stadt, wobei das Metropolrad ja offensichtlich im Bewusstsein, aber doch noch immer schwach ausgelastet sei. Ein positives Signal ist für Kleine-Möllhoff, dass die Erreichbarkeit der Innenstadt oder der Stadtteilzentren gut eingeschätzt werde (2,9).
Negativ und dazu deutlich unterdurchschnittlich sind drei Punkte: Die mangelnde Ahndung von Falschparkern, die Radwege blockieren (4,68), der Winterdienst (5,13) und die Ampelschaltungen (4,9). Da die MEG die Radwege als Ablagefläche für den Schnee nutze, seien Radfahrer gezwungen, auf der Straße zu fahren. „Ärgerlich und auch gefährlich ist es, dass der Splitt an einigen Stellen erst Wochen oder Monate nach dem Frost weggefegt wird“, kritisiert sie. Bei den Ampeln gibt es in der Innenstadt zwei neuralgische Punkte, die Radler ärgern: An der Bergstraße und an der Konrad-Adenauer-Brücke. Wer aus Styrum kommt, muss bis zu drei Mal an Ampeln warten, bis er die andere Straßenseite erreicht. Ärgerlich sei, dass die Ampel den Autofahrern so lange grün signalisiert, dass das sichere Erreichen selbst für langsame Radfahrer kein Problem wäre. „Man wird dazu verleitet, die Regeln zu brechen“, kritisiert sie.

An Überwegen an der Bahnstraße kann es passieren, dass Autos noch Grün haben und wenn Radfahrer dann die Anforderungstaste drücken, trotzdem nicht dran kommen, wenn die Autofahrer Rot haben. Sie müssen noch einen Durchgang warten, weil man das Zeitfenster verpasst hat. „Der Verkehr ist noch immer auf die Bedürfnisse der Autofahrer ausgerichtet“, kritisiert die Frau vom ADFC.Das zeige sich auch bei Baustellen (4,81), bei denen gar nicht an Radfahrer gedacht wird, was sehr problematisch sein könnte. „Dabei könnte es meist leicht viel einfacher sein“, glaubt sie.

Die Nichteinhaltung des Mindestabstands durch Autofahrer sei ein Punkt, der vielen Radlern zu schaffen mache. Dann wichen viele aus Sicherheitsgründen auf den Gehweg aus und würden gleich als Rüpel-Radler gescholten. Dabei ist Rücksichtslosigkeit nicht von der Fortbewegungsart abhängig, sondern von der Einstellung. Aber die meisten Radler sind wie auch sie Fußgänger und Autofahrer. Ihr Fazit: In der fahrradfreundlichen Stadt bleibt noch viel zu tun.