Mülheim.


Wenn der Berliner beschwipst ist, dann hat er Eierlikör im Bauch. Meist kommt er aber ganz klassisch daher, ist mit diesem süßen roten Gelee gefüllt, das dem fettgebackenen Ballen das gewisse fruchtige Etwas verleiht — mit einer Himbeer-Johannisbeer-Marmelade.

In der Backstube der Hemmerles an der Neckarstraße werden die Zuckerteilchen momentan in enormer Stückzahl produziert. Die Fettgebäckzeit beginnt am Tag nach Weihnachten und endet am Aschermittwoch. „Nach Karneval flacht das Geschäft total ab“, berichtet Geschäftsführer Peter Hemmerle.

Jetzt also boomt das Geschäft mit den Berlinern - die Zahlen belegen es eindrucksvoll. Werden an „einem normalen Tag im Jahr“ höchstens 600 bis 800 Ballen gebacken, sind es für den Silvestertag an die 10 000. Deshalb beginnt man diesmal auch schon am Sonntagabend mit der Herstellung, nicht erst am frühen Montagmorgen.

Zielstrebig wird in der Brotfabrik im Hafengebiet zu noch nachtschlafener Zeit Teig angerührt, ausgerollt, geformt und in den Ofen geschoben. Schließlich werden neben den Berlinern auch alle anderen Backwaren produziert. Brot, Brötchen, Croissants, Kuchen, . . . Sandra Bamberger stellt fertige, lustig verzierte Mohrenköpfe in Transportkörbe. Sie sollen gleich in die Filialen gefahren werden.

In einer Kippdiele auf einem Transportwagen karrt Bernd Hemmerle, Leiter der Produktion, Berliner-Rohlinge heran - damit sein Mitarbeiter Andreas Maicen sie in der Fettpfanne ausbacken kann. Warm ist es hier an den Fettpfannen - und Vorsicht ist geboten. Mit dem 180 Grad heißen Fett sollte man nicht in Berührung kommen. Feuerlöscher und Feuerdecke hängen in Reichweite.

Der Berliner wird aus einem Hefeteig geboren, in dem viele Eier - auch Eigelb - stecken. „Je mehr Eier drin sind, desto weniger Fett nimmt der Teig auf“, erklären die Hemmerle-Brüder. Schließlich soll das Innere des Ballens luftig-leicht, die Haut stabil-knusprig - und nicht fetttriefend - sein. Doch bevor der Rohling mit der Unterseite für drei und mit der Oberseite für vier Minuten ins Fettbad getaucht wird, hat er schon einige herbe Temperaturwechsel hinter sich.

„Der geknetete Teig wird zunächst mit Hilfe einer Presse und eines Presstellers zu kleinen Ballen geformt, die kommen dann in den Gärraum, wo sie bei 30 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von 50 Prozent eine Dreiviertelstunde gehen. Die aufgegangenen Teigkugeln müssen dann ,absteifen’, das heißt, sie werden draußen oder im Kühlraum runtergekühlt, damit sie eine etwas festere Haut entwickeln“, erläutert Peter Hemmerle.

Die Fettpfanne ist jetzt - in der Hochzeit der Berlinerherstellung - der „Engpass“ in der Produktionskette. „Wir besitzen drei Fettpfannen, die normalerweise auch ausreichen, aber bei dem Stückzahlen jetzt an Silvester natürlich nicht“, so die Hemmerles. Deshalb fängt man früher an und hört später auf - und arbeitet fast zu dritt.

Das Verwiegen der Zutaten für den Teig erfolgt heutzutage per Computerprogramm, anderes ist in der Backstube Hemmerle noch echte Handarbeit. Jeweils zwei gebackenen Ballen werden nach dem Ausbacken per Hand auf die Einfüllstutzen eines Gefäßes gesteckt, das Marmelade enthält, und per Knopfdruck gefüllt. „Bei den beschwipsten Berlinern wird der Eierlikör sogar noch mit einem Spritzbeutel durch einen kleinen Einschnitt in den Ballen eingespritzt“, verrät Bernd Hemmerle. Nach dem Brutzeln im Fett bestreuen Andreas Maicen und seine Mitstreiter mit flinker Hand das Gebäck mit „ganz normalem“ Kristallzucker.

Neben den traditionellen Berliner fertigen die Mülheimer Bäcker solche mit Zuckerguss an, mit Pudding- oder Eierlikörfüllung. Im letzten Jahr hat Bernd Hemmerle etwas experimentiert und die „jecken Berliner“ kreiert , in denen Karamellfüllung steckt. Dennoch: 70 Prozent der täglichen Produktion entfallen auf klassische Berliner, 30 Prozent machen Berliner-Variationen sowie Krapfen und Mutzenmandeln aus.

Auch wenn ihnen den ganzen Tag über ein süßer Duft um die Nase weht, die Hemmerles essen auch selber noch Fettgebäck. Bernd mag „den Berliner mit Zuckerguss und Marmelade“, Peter beißt lieber in einen Krapfen.

Ein Berliner wiegt 50 Gramm

In der Hemmerle-Backstube, eher schon eine kleine Fabrikhalle, stehen rund 30 Mitarbeiter an Rührschüsseln und Öfen. Für manche Herstellungsschritte gibt es Produktionsstraßen oder -bänder, andere werden noch per Hand gemacht. Der Teig für Berliner wird in großen Schüsseln angerührt, in die etwa 100 Kilogramm Teig passen.

Für die rund 10 000 Berliner, die in der Nacht auf Silvester produziert werden, benötigt man 500 Kilo Teig. Denn: Ein Berliner, beschwipst oder nüchtern, wiegt 50 Gramm.