Mülheim.

Zum zweiten Mal führt die Bundesagentur für Arbeit eine Aktionswoche für Menschen mit Behinderung durch, an der sich die Vermittler vor Ort aktiv beteiligen. Noch bis zum heutigen Freitag rücken Beschäftigte mit Handicap in den Blickpunkt, wie Ricarda Noetzel in den Mülheimer Fliedner Werkstätten.

Die 21-Jährige, die im Rollstuhl sitzt und an der Essener Waldorfschule den Förderzweig für geistige Entwicklung abgeschlossen hat, begann im September in eine zweijährige Berufsbildungsmaßnahme: Montags bis freitags arbeitet sie in der Abteilung Transferdruck der Selbecker Fliedner Werkstätten. In Handarbeit versieht sie Porzellanbecher oder Rauchmelder mit Etiketten. Ein Ausbildungsgeld von monatlich 63 Euro bekommt sie, das die Arbeitsagentur trägt, plus Sozialversicherungsleistungen.

Praktika ebnen Weg für den Arbeitsmarkt

Ricarda Noetzel wird auch nach der Trainingsmaßnahme in der Behindertenwerkstatt kaum mehr als ein Taschengeld verdienen, wenn es hoch kommt 350 Euro. Sie wird de facto von Grundsicherung leben müssen, wenngleich sie von einer eigenen Wohnung träumt. Doch wenn man sie fragt, wo sie in fünf Jahren am liebsten arbeiten würde, antwortet sie ohne Zögern: „Ich fühle mich hier so wohl, ich möchte gerne bleiben.“ Die Wahrscheinlichkeit ist auch relativ groß.

Bei den Fliedner Werkstätten hätten sie extra einen Ansprechpartner, „der sich um Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt kümmert“, erläutert Mechthild Reick vom Sozialen Dienst.

Und Günter Hümbs, Rehaberater bei der Arbeitsagentur, betont: „Leistungsstarke Mitarbeiter der Werkstätten kommen über Praktika manchmal auf dem ersten Arbeitsmarkt unter.“ Wie ein gleichaltriger Kollege von Ricarda, der soeben eine Stelle bei einem Mülheimer Malerbetrieb gefunden hat.

Inklusion gefordert

Inklusion, Teilhabe ist in allen Lebensbereichen gefordert, doch die Beschäftigungsstatistik zeigt Probleme auf. Die Zahl arbeitsloser Schwerbehinderter in Mülheim lag im November 2012 bei 326 Personen, die Tendenz ist, im Vergleich zu vergangenen Jahren, stark steigend. Bei der Arbeitsagentur kann man damit nicht zufrieden sein.

„Wir haben in dieser Aktionswoche viele Arbeitgeber direkt angerufen“, berichtet Katja Hübner, Pressesprecherin der auch für Mülheim zuständigen Agentur für Arbeit Oberhausen, „weil es immer noch viele Vorurteile gibt: Behinderte sind oft krank, fallen häufig aus, sind unkündbar...“ Viele Arbeitgeber stellten Menschen mit Handicap auch nur ein, wenn sie Zuschüsse dafür erhalten.

Für die Arbeitsagentur kein Problem: „So lange wir diese Fördermittel haben, zahlen wir sie gerne, wenn Behinderte dadurch einen Arbeitsplatz finden.“