Mülheim.

Hat sich die Stadtverwaltung den politischen Beschluss zum Ausbau des Klöttschen als Ein- und Ausfallachse der Innenstadt durch Vorgaukeln falscher Tatsachen erschlichen? Diesen Eindruck gewann die WAZ, als sie sich vor Ort mit Grundstückseigentümern traf.

Heraus kam, dass weit mehr Grundbesitzer als im Planungsausschuss benannt die Pläne blockieren. Sie wollen Teile ihrer Grundstücke partout nicht für das Ruhrbania-Verkehrsprojekt abtreten.

Mehr als zwei „Zwangspunkte“

Wie berichtet, hatte der Ausschuss jüngst die Beschlussvorlage der Verwaltung zum „Ruhrbania-Baulos 3“ gegen die Stimmen von MBI und Wir-Linke mitgetragen. Möglichst Ende 2013 will die Stadt am Klöttschen buddeln. Von Süden beginnend (am Tourainer Ring) soll die heutige Einbahnstraße so ausgebaut werden, dass der Verkehr stadtein- und -auswärts rollen kann. Mit Park- und Gehweg- sowie Schutzstreifen für Radfahrer soll die Straße – mit zwei Kreisverkehren – 16,4 Meter breit werden.

Nicht überall wird dieses Ausbauziel erreicht werden können. Der Leiter des Amtes für Verkehrswesen und Tiefbau, Klaus-Dieter Kerlisch, hatte im Planungsausschuss von zwei „Zwangspunkten“ berichtet, an denen die Straße nicht auf voller Breite ausgebaut werden kann, weil Grundeigentümer partout keinen Quadratmeter ihrer Grundstücke abtreten wollten.

Nun machten beim Ortstermin Eigentümer unmissverständlich deutlich, dass mindestens fünf weitere Grundstückswünsche der Stadt nicht erfüllt würden. Die WAZ hakte nach – und die Stadt gestand ein: Sie hat für 1,6 Mio. Euro in den vergangenen 15 Jahren gar erst 42,5 % der Grundstücksfläche erworben, die für einen „optimalen Ausbau“ des Klöttschen nötig wäre. Wie gesagt: Der Politik hatte sie zur Beschlussfassung nur zwei „Zwangspunkte“ benannt.

Eigentor mit "Schönfärberei"

„Da fühle ich mich veräppelt“, so Wolf Hausmann, für die FDP Mitglied im Planungsausschuss. Er fragt sich, wie die Stadt die weitere Finanzierung von nötigen Grundstücken darstellen will. „Das hätte ich gerne im Ausschuss gehört“, kritisierte dessen Vorsitzender Dieter Wiechering (SPD). Er befürchtet, dass die Stadt mit der „Schönfärberei“ ein Eigentor geschossen hat: Nun seien die Planungen öffentlich, dringlich und konkret dargestellt. Das treibe in den Grundstücksverhandlungen den Preis nach oben. Offen dürfte sein, ob die Stadt überhaupt Fördermittel für das Projekt bekommen kann, sollte eine arg abgespeckte Version nötig werden. Ohne Fördermittel, sagt sie, werde sie nicht bauen.

Eigentümer müssen laut Stadt keinen Zwang befürchten 

Die Planungsverwaltung, so kündigt die Stadt an, werde bis zu einem noch festzusetzenden Zeitpunkt um die Grundstücksstreifen verhandeln und dann notfalls ohne sie weiterplanen. Ferner müsse kein Eigentümer irgendeine Form von Zwang befürchten. Es würden Kaufpreise verhandelt, ein Grundstückstausch vorgeschlagen oder andere Angebote gemacht.

Anwohner am Klöttschen wehren sich vehement gegen den Ausbau ihrer Straße, seit Jahrzehnten schon. Aktuell fürchten sie durch die Öffnung der Straße für beide Fahrtrichtungen noch mehr Verkehr – verbunden mit Mehrbelastungen durch Lärm und Schadstoffe.

Nicht nur Eigentümer wollen Pläne durchkreuzen

Paul Bossmann lebt seit einer gefühlten Ewigkeit am Klöttschen. Jedenfalls hat er seine Eigentumswohnung dort zu einem Zeitpunkt gekauft, da war sie „noch in einer ruhigen Wohngegend“ beheimatet. Denn der Klöttschen war im nördlichen Teil, wo Bossmann wohnt, seinerzeit, das war 1968, Sackgasse. „Meine Kinder konnten wunderbar auf der Straße spielen“, erzählt er, der sich heute im Einvernehmen mit seiner Hausgemeinschaft dagegen wehrt, der Stadt für einen abermaligen Ausbau der Straße rund 20 m2 Vorgarten abzutreten.

Es sind aber nicht nur Eigentümer im Norden der Straße, die die Ausbaupläne der Stadt durchkreuzen wollen, indem sie Teile ihrer Grundstücke nicht hergeben. Die Stadt probiere es ja immer wieder, aber, sagt Ibrahim Atabey: „Auf ihren zweiten Brief habe ich gar nicht mehr reagiert.“ Vollrath Kluge hat einst schon in der „Bürgerinitiative Mülheim-Stadtmitte“ gegen den fortschreitenden Ausbau des Klöttschen gekämpft, weiß noch von einer menschlichen Verkehrssperre an der Zufahrt vom Tourainer Ring zu berichten. Heute interessiert ihn viel mehr, was Feinstaub-Messungen vor Ort aussagen würden – angesichts des „exorbitanten Verkehrs“, der schon jetzt über die Straße rolle.

Frank Eickmeier ist kein Eigentümer, der Anwohner klagt über Parkplatznot und die Belastung. „Telefonieren im Sommer, bei einem Fenster auf Kipp – das geht hier nicht“, sagt er und fordert: „Den Klöttschen sollte man dichtmachen und den Verkehr weiter über Parallelstraße und Tourainer Ring zur Friedrich-Ebert-Straße führen. Mich schickt man, wenn ich zum Finanzamt will, ja auch quer durch die Stadt.“