Mülheim.. Die Zahl an Kunstwerken im öffentlichen Raum in Mülheim geht zurück. Für die Instandhaltung der teilweise mehrere Jahrzente alten Arbeiten fehlt das Geld. Außerdem scheint es vielen Bürgern auch ganz recht zu sein, dass die Stadt von ihren “Schandflecken“ befreit wird.
Die letzte Bestandsaufnahme ist bereits einige Jahre her: 240 Kunstwerke, die im öffentlichen Raum stehen, wurden da katalogisiert und fotografiert. Die mit Maschine getippten Blätter füllen im Mülheimer Kunstmuseum Ordner. Doch wenn Dr. Gerhard Ribbrock, stellvertretender Museumsleiter, sie durchblättert, muss er immer wieder Verluste beklagen. Verrostet, zerstört, eingelagert, gestohlen – eine Reihe von Werken ist aus dem Stadtbild verschwunden.
Dies wird sich wohl weiter fortsetzen. Im vergangenen Kulturausschuss hatten die Fraktionen eine gemeinsame Botschaft: Für die Pflege fehlt das Geld. Vielen, so scheint es, wäre das sogar ganz recht. Denn die Stadt dauerhaft mit Kunst zu gestalten, ist out.
Zeitgeist war damals ein anderer
Viele Kunstwerke wurden in den 1980er Jahren in den öffentlichen Mülheimer Raum gestellt. Ein Grund dafür war sicher die damalige, kunstaffine Stadtspitze, die das 175-jährige Stadtjubiläum zum Anlass nahm, um Arbeiten zu installieren. Jedoch, betont Gerhard Ribbrock, war der Zeitgeist in den 60er bis 80er Jahren auch ein anderer: Kunst wurde gezielt genutzt, um die Stadt zu gestalten: „Es gab Ausschreibungen zur Platzgestaltung.“ Auch wenn es heute niemand mehr gewesen sein will: Der Hajek-Brunnen ist ein Beispiel dafür. Er wurde von einer Jury ausgewählt, um den Platz in der Innenstadt zu prägen.
Hajek-Brunnen für viele ein Schandfleck
Das tut er bis heute – und ist für viele ein Schandfleck. Vielleicht sind es Diskussionen dieser Art, die bei abstrakten Werken Gang und Gäbe sind, die laut Ribbrock inzwischen für eine „skeptische Haltung gegenüber Kunst im öffentlichen Raum“ sorgen: „Man will nicht mehr für die Ewigkeit entscheiden, sondern greift lieber auf temporäre Arbeiten zurück.“ So wurde das 200-jährige Stadtjubiläum 2008 dann auch mit Lichtkunstinstallationen gefeiert, die nur einige Wochen zu sehen waren.
Die Werke von einst stehen aber immer noch in der Stadt und müssen gepflegt werden. Dies liegt in der Verantwortung des Immobilienservice, und der investierte laut Stadtsprecher Volker Wiebels zuletzt vor allem in die Entfernung von Graffiti – denn dafür gibt es einen speziellen Topf. Zudem wurde dem Bogenschützen ein neues Fundament spendiert. Alles andere sind freiwillige Leistungen, und für die ist kein Geld da. Was vielleicht erklärt, warum Werke wie das Siepmann-Mosaik, das einst im Rathaus hing, immer noch eingelagert ist. Gleiches gilt für den Nele-Brunnen, der zwischen Rathaus und Bücherei stand.
Pflege und Vermittlung
Während der Immobilienservice die die Kunst im öffentlichen Raum pflegt und das Tiefbauamt die Brunnen reinigt, kümmert sich das Team des Kunstmuseums und besonders Gerhard Ribbrock um ihre Vermittlung. Das ist bei abstrakten Arbeiten oftmals sehr schwierig.
„Es gibt eine starke Verunsicherung, wenn Menschen unvermittelt auf abstrakte Kunst im öffentlichen Raum stoßen“, sagt Ribbrock. Viele fühlten sich überfordert, weil sie nur selten mit bildender Kunst in Berührung kommen. In der Schule ist sie z.B. kaum Thema. Zudem blieb die im Dritten Reich verbreitete Doktrin, nur figürliche Kunst sei wahre Kunst, im gesellschaftlichen Gedächtnis verankert und verbreitet. Abstrakte Arbeiten bedürfen also immer wieder der Erklärung, aber das sei im öffentlichen Raum nicht zu leisten, sagt der Museumspädagoge: „Die meisten stehen alleine davor und müssen damit klar kommen.“ Helfen könnten nach Ribbrocks Meinung technische Neuerungen, wie Scan-Codes fürs Handy. Sie bieten die Chance, vielen Menschen Informationen zukommen zu lassen. Aber auch das kostet.