Mülheim. . In Deutschland sind bis zu 12.000 Menschen auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Viele Patienten sterben noch in der Wartezeit. Jetzt wird befürchtet, dass noch weniger Organe gespendet werden, denn die Spendenbereitschaft hat sich nach den Manipulationsvorwürfen verschlechtert.

Nach Manipulationsvorwürfen ­­­ge­genüber Transplantationszentren in Süddeutschland wird befürchtet, dass sich die Spendenbereitschaft verschlechtern könnte. Dabei bemühen sich viele Organisationen, etwa die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO), die Spendenbereitschaft zu erhöhen.

Prof. Dr. Jörg Vettermann ist Transplantationsbeauftragter am St. Marien-Hospital und weiß um die Not der Empfänger. „Wer auf ein Spenderherz oder eine Spenderleber angewiesen ist, muss von einem bis zu vier Jahre darauf warten“, sagt der Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie. „Es gibt meist keine derart lange anwendbare Ersatztherapie beim Versagen dieser Organe“, erläutert er. „Deshalb sterben viele Patienten noch in der Wartezeit.“ Wenn die Leber versage, könne kein Patient drei Jahre warten. Bei Nierenkranken gibt’s eine Ersatztherapie: Dialyse.

Suche nach potenziellen Spendern

Was macht ein Transplantations-Beauftragter? „Ich bin der Mittler zur Transplantationszentrale“, so Prof. Vettermann. Er meldet einen hirntoten Patienten, den er und seine Kollegen als spenderfähig einschätzen, an die DSO. Das sei 2012 am St. Marien-Hospital einmal, im Jahr davor zweimal vorgekommen. An Häusern, die Opfer schwerer Unfälle behandeln oder die eine Gehirnchirurgie hätten, gebe es sicher mehr Fälle. Ein hohes Alter und schwere Nebenerkrankungen sprächen gegen eine Organspende.

„Theoretisch kann jede Erkrankung dazu führen, dass das Gehirn seine Funktion einstellt“, sagt Vettermann. Die DSO prüft, ob der ­Patient als Spender in Frage komme. Liegt kein eindeutiger Wunsch vor, etwa ein Organspendeausweis, folge das Gespräch mit Angehörigen, um den mutmaßlichen Willen zu ermitteln. Das führt nicht der Transplantationsbeauftragte oder ein Mitarbeiter des St. Marien-Hospitals, sondern ein unabhängiger Arzt, „der in keiner Beziehung zum Empfänger, den Angehörigen oder zum Explantationsteam steht“.

Angehörige des Spenders sind letzte Instanz

Gibt es eine Willenserklärung (Spenderausweis) oder haben die Angehörigen einer Entnahme zugestimmt, folge die Explantation durch ein externes Team. Das sind Chirurgen des Transplantationszentrums, wo ein passender Empfänger auf das Organ wartet, erklärt Prof. Vettermann. Das OP-Team, das bei der Entnahme hilft, stellt das Krankenhaus, in dem der Hirntote liegt. Dieses Intensivteam erfahre später, wie die Transplantation ausgegangen sei.

„Eine gute Nachricht kann in dieser ganzen bedrückenden Atmosphäre froh machen“, betont Prof. Jörg Vettermann, der auch die Angehörigen darüber benachrichtigt. Namen werden allerdings nie genannt. Sagen die Angehörigen „Nein“ zu einer Organentnahme, ist das Thema beendet, erklärt Prof. Vettermann. „Manche brauchen Zeit, um die Nachricht zu verarbeiten. Das ist eine sehr schwierige Situation.“

Widerspruchsreglung erhöht Verfügbarkeit von Organen

Ein Dilemma: Es ist kaum zu begreifen, dass der geliebte Mensch (hirn-)tot ist, obwohl sein Herz noch schlägt – wofür Maschinen sorgen. „Aber viele wissen auch, das für den, der ein Spenderorgan erhält, ein langer Leidensweg zu Ende geht.“ Hierzulande stünden rund 12.000 Menschen auf der Warteliste für ein Spenderorgan. „In Österreich wartet man im Mittel drei Monate.“ Die Warteliste in der Alpenrepublik liege „im kleinen dreistelligen Bereich“.

Das liege an der dortigen „Widerspruchsregelung“: Wenn zu Lebzeiten kein Widerspruch erklärt wurde, dürfen im Todesfall Spenderorgane entnommen werden, so Prof. Vettermann. In Deutschland treten die aktuellen Regelungen zur Entscheidungslösung im Transplantationsgesetz zum 1. November in Kraft. Dies bedeute, „dass sich ­jeder einmal zum Thema Organspende Gedanken machen und sich danach äußern soll“, so Vettermann. „Diese Nachfrage sollen die Krankenkassen übernehmen.“

Organspendeausweise gibt es in Krankenhäusern, Apotheken und bei Organisationen wie der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), auf ­deren Homepage Interessierte viele Informationen rund um das Thema finden: www.dso.de