Mülheim. .
Ein paar Holzbretter unter freiem Himmel – mehr braucht es nicht, um einen Shakespeare-Klassiker auf die Bühne zu bringen. Fernab von Jacketts, Handtäschchen oder Sektgläsern bevölkern hier Anoraks, Decken und Tee den Platz. Schließlich haben wir Ende September und von Spätsommer keine Spur. Trotzdem haben es sich 80 Gäste im Innenhof des Klosters Saarn auf den mit Sitzkissen ausgestatteten Stühlen gemütlich gemacht, um am Eröffnungstag des Leaf-Festivals (Languages Education Art Friendship) am Freitagabend gleich einen Höhepunkt zu erleben. Die englische Open-Air-Theatergruppe „The Lord Chamberlain’s Men“ spielt „Macbeth“ von William Shakespeare – in englischer Sprache und draußen.
Lutz und Eva Intichar sind darauf vorbereitet. Sie haben sich warm angezogen und zwei Decken mitgebracht. „Fünf Schichten habe ich an“, verrät Lutz Intichar. Der 68-jährige Mülheimer lässt sich so leicht nicht abschrecken: „Wir haben die Karten vor einer Woche gekauft, wir wären auch bei Regen gekommen“. Plötzlich treten drei eindrucksvolle Gestalten mit schwarzen Gewändern auf die Bühne. „When shall we three meet again. In thunder, lightning, or in rain?“ – Die Hexen eröffnen den ersten Akt.
Als später Lady Macbeth ihren ersten Auftritt hat, erscheint ein Mann in dunkelrotem Kleid und schwarzer Spitze. Ganz in der Tradition Shakespeares stehen nur Männer auf der Bühne. Für den elisabethanischen Anstrich sorgt auch das Interkultur-Ensemble. Queen Elisabeth I. – im wirklichen Leben Margot Erbslöh aus Nordirland – ist in voller Montur mit ihrem eigenen Hofstaat angereist. „Wir haben ja eh die Kostüme, weil wir selbst Shakespeare spielen“, sagt die königliche Hoheit.
„Come, thick night“ („Komm, schwarze Nacht“), sagt Lady Macbeth in ihrem Monolog, während sich der Himmel über Saarn immer mehr verdunkelt und die Temperaturen sinken. Im Publikum werden Wollmützen aufgesetzt und Thermoskannen herausgeholt.
Klaus Barbian und Claudia Kleinert haben gleich mehrere Plastiktüten und einen Rucksack voll – mit Käse, Würstchen, Wein, Wasser und Brot. „Man merkt, dass es geübte Sprecher sind. Man kann die Schauspieler gut verstehen“, sagt die 49-Jährige. Jedes Wort? „Nein, manchmal wünschte ich mir, sie würden den ersten Satz noch mal wiederholen“, sagt Kleinert. „Es ist eine interessante Erfahrung, Macbeth mal im Original zu hören“, sagt Barbian. Beide haben eine besondere Verbindung zum Britischen. Er durch die Sprache, sie durch die Kultur. „Ich bin Fachbereichsleiterin für kulturelle Bildung an der VHS Duisburg und er für Englisch“, erklärt Kleinert. „Aber Shakespeare haben wir schon vorher geliebt.“
Das eindringliche Trommeln ist schon von Weitem zu hören. Sie klatschen in die Hände, trommeln auf die Instrumente auf ihrem Schoß oder bewegen die Rasseln im Rhythmus mit. Etwa 20 Gäste sind am Freitagabend in die Begegnungsstätte Kloster Saarn gekommen, um „mit 80 Rhythmen um die Welt“ zu reisen. Im Rahmen des Leaf-Festivals sind hier die unterschiedlichsten Trommel- und Percussion-Instrumente zu hören.
„Ich möchte Menschen unterschiedlicher Nationalität durch Theater, Musik und Kunst zusammenzubringen“, sagt Bronwen Gray-Specht, Vorsitzende des gemeinnützigen Mülheimer Vereins Interkultur. Deshalb hatte sie die Idee für das Leaf-Festival. Unterstützung hat sie dabei von der Buchhandlung Hilberath & Lange, der Begegnungsstätte Kloster Saarn und einigen Sponsoren bekommen.
„Wir haben zum ersten Mal ein Dicheridoo live gehört“, sagt Doris Rose. Die Saarnerin ist mit ihrer Familie gekommen und begeistert. „Vor allem für die Kinder ist das toll.“ Das parallel laufende Theaterstück „Macbeth“ in englischer Sprache wäre wohl noch etwas zu schwer gewesen. „Ich verstehe das doch schon“, protestiert ihr elfjähriger Sohn Marvin Lennermann. „Ich auch“, ruft Bruder Gerrit prompt. Er ist elf und hat schon seit der 1. Klasse Englisch in der Schule, bestätigt Rosen. „Es wäre sicher mal schön, eine englische Theateraufführung mit den Kindern zu sehen, aber dann müsste man vorher mal genau die Handlung erklären.“ Noch haben sie Gelegenheit dazu: Das Leaf-Festival findet noch bis zum 7. Oktober in Mülheim statt. Und „The Lord Chamberlain’s Men“ spielt Macbeth noch täglich von Dienstag, 2. Oktober, bis Samstag, 6. Oktober, jeweils um 19 Uhr im Innenhof des Klosters.