Mülheim. .

Zwei Jahre lang hat Mülheim nahezu ergebnislos über die Zukunft des öffentlichen Personennahverkehrs in der Stadt gestritten. Nun macht das für eine Nahverkehrsplanung eingeschaltete „Büro Stadtverkehr“ aus Hilden in einem ersten Zwischenbericht deutlich, dass es einige bedeutende Mängel im ÖPNV-Angebot sieht. Die Stadt hatte diese Mängel trotz Hinweisen aus Politik und Bürgerschaft bisher als abwägig abgetan.

Einen Fingerzeig für eine mögliche Trendwende in der Debatte gab Gutachter Jean-Marc Stuhm am späten Donnerstag im Wirtschaftsausschuss. Nach einer Bestandserfassung und -bewertung sei unter anderem festgestellt worden, dass das Zusammenspiel von Straßenbahnen und Bussen mangelhaft organisiert sei. Zu viel Parallelverkehr koste den Straßenbahnen Fahrgäste. Busse sollten mehr als bisher „Zuarbeiter“ für die Bahnen sein. Dem Bussystem insgesamt fehle es an einer Idee, die an Kunden zu verkaufen sei, so die Gutachter zum kreuz und quer verlaufenden Netz.

Die Debatte um die Zukunft des ÖPNV ist ungeachtet kostspieliger Gutachten aus der Vergangenheit neu aufgerollt: Bis Ende des Jahres will das „Büro Stadtverkehr“ aus Hilden einen neuen Nahverkehrsplan entworfen haben. Auch Bürger sollen noch mal zu Wort kommen.

Vorab: Das eingeschaltete Gutachterbüro wird nicht den Traum von der allumfassenden Mobilität in Mülheims ÖPNV zu träumen wagen. Der Auftrag ist angelehnt an die politische Vorgabe, bei der MVG strukturell Millionen Euro einzusparen. So kommen die Gutachter auch nicht um diese eine ihrer ersten Erkenntnisse herum: Die Straßenbahnen 110 und 104 (auf dem stillgelegten Flughafen-Ast) haben kaum Potenzial, weil zu wenige Fahrgäste. Eine umfassende Erhebung von Fahrgastzahlen auf allen Linien (auch für Busse) soll im Herbst endgültig Aufschluss geben, ob auch die Gutachter den Ersatz durch Busse vorschlagen. Bestätigt ist die Stadt, eine Verlängerung der 102 vom Heuweg nach Saarn prüfen zu wollen.

Doch die Gutachter stellen auch einiges Grundsätzliches in Frage, was bei der Stadt als maßgeschneidert galt. So bleibe die Funktion der Buslinien unklar. So etwa, warum Busse nicht primär dazu eingesetzt würden, den Schienenverkehr zu ergänzen. Das schwäche die Straßenbahnen – und damit ihre Chance, wirtschaftlicher betrieben zu werden. Das ÖPNV-Netz nannte Gutachter Jean-Marc Stuhm „historisch gewachsen“ – es gibt bessere Ausdrücke für ein gutes Zeugnis. Vor allem bei den (nicht ans Schienennetz gefesselten) Buslinien stelle sich einige Male die Frage, welche Funktion sie im Netz überhaupt erfüllen sollten. Übersetzt dürfte das so viel heißen wie: Die Linien verkehren kreuz und quer durchs Stadtgebiet, auch parallel zur Straßenbahn, ohne damit ein klares System geschaffen zu haben. Gutachter Stuhm sieht darin ein Hindernis für eine erfolgreiche Vermarktung der ÖPNV-Dienstleistungen. Auf Kritik stoßen zudem die uneinheitlichen Betriebszeiten.

Der weitere Weg ist vorgezeichnet: Noch bevor das Büro in einer Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses im November drei Alternativen zum Nahverkehrsplan präsentieren will, sollen die Bürger gehört werden: am 22.11. im Otto-Pankok-Gymnasium. Anfang 2013 soll die Politik den Nahverkehrsplan beschließen. Wenn sie denn überzeugt sein wird . . .