Mülheim..

Wenn sie den Blick vom Bildschirm des Ultra-Schallgerätes nach links richtet, sieht sie aus dem Behandlungszimmer in den Garten, in dem sie schon als Kind gespielt hat. Dr. Dorothea Stimpel ist in ihrer Praxis aufgewachsen. Ihr Vater hatte das Haus 1961 an der Nordstraße gebaut, im Erdgeschoss warteten die Patienten, darüber die Familie. „Ich habe heute noch die erste Quartalsabrechnung von meinem Vater, 3000 Mark hat er damals für drei Monate bekommen“, erzählt die Ärztin.

Zu dieser Zeit wurden Ärzte noch für die tatsächliche Leistung am Patienten bezahlt. Für jedes Rezept, für jede Blutabnahme und jede Untersuchung gab es Geld von der Krankenkasse. „Heute kriege ich für einen Patienten nur einmal im Quartal Geld“, sagt Stimpel, die seit 1992 in ihrem Elternhaus ihre eigenen Patienten empfängt.

35 Euro pro Patient

Für den typischen Patienten, der mit Schnupfen und Fieber zum Arzt kommt, danach mit Antibiotika-Rezept und Krankschreibung wieder geht, kriege sie momentan von der Krankenkasse rund 35 Euro – einmalig pro Quartal. Kommt der Patient im selben Quartal noch mal zur Blutabnahme, gebe es nichts extra. Zudem setzt die Kasse ein Patientenlimit. „Wir kriegen in unserer Gemeinschaftspraxis derzeit für maximal 2524 Patienten pro Quartal den vollen Betrag“, sagt die 53-Jährige. Behandelt sie mehr, erhält sie von der Kasse für jeden zusätzlichen Patienten nur noch einen Teil des ursprünglichen Betrages. Die Abstriche sind gestaffelt. Empfängt sie doppelt so viele Patienten pro Quartal als die Grenze für den Vollbetrag, müsse sie jeden weiteren Patienten umsonst behandeln. In die Gemeinschaftspraxis von Dr. Dorothea Stimpel und ihrer Partnerin Dr. Annette Dittrich kommen pro Quartal mehr als 2524 Patienten. „Wir behandeln auch Patienten umsonst“, sagt die Ärztin.

Unabhängig von der Patientenzahl erhalten die Ärztinnen Geld für Sonderleistungen wie Grippe-Impfungen oder Hausbesuche. Das seien dann ungefähr noch mal fünf Prozent der bisherigen Einnahmen oben drauf. „Uns geht es vergleichsweise gut“. Daher wehrt Stimpel sich gegen Pauschalisierungen in der derzeitigen Debatte über die Ärztehonorare. „Man darf nicht den Nettolohn mit den Honoraren der Ärzte vergleichen“, fordert Stimpel. „Ein Arzt mit einem monatlichen Honorar von 7000 Euro, hat davon noch keine Altersvorsorge, keine Krankenversicherung und keine Steuern gezahlt“.

3000 bis 3500 Euro netto

Im Schnitt blieben bei vielen dann zwischen 3000 und 3500 Euro netto monatlich übrig, so Stimpel. Und nicht jeder ihrer Kollegen hat die Chance, in die Praxis des Vaters einzusteigen. „Mein Vater hat mir einen Kredit gegeben, mit dem ich ihm meine Praxishälfte abgekauft habe, meine jetzige Kollegin musste zur Bank“.

Dank der Gemeinschaftspraxis könnten die Ärztinnen sich die Sprechstunden aufteilen und weit mehr als die von der Krankenkasse geforderte Mindestanzahl von 20 Stunden Sprechzeit pro Woche anbieten. „Mit unserer großen Anzahl von Patienten bei hohem Arbeitseinsatz stehe ich sicherlich besser da als viele Kollegen. Dann erscheint auch mir eine Forderung von zehn Prozent mehr Honorar viel zu hoch“.

Eine Anhebung des Budgets um die Höhe der Inflationsrate, dem Anstieg der Betriebskosten und der Löhne für das Praxispersonal hält Stimpel für ihren Fall angemessen. „Aber für die vielen normalgroßen Praxen ist das keine Alternative“, sagt die Ärztin.