Mülheim. .

Juliane Schenk kam an diesem vorolympischen Tag cool, lässig und entspannt daher. Sonnenbrille und ein Outfit, das unwillkürlich an vergangene Flowerpower-Zeiten erinnerte. Die junge Frau zog unwillkürlich die Blicke der Menschen auf sich, die gerade nach dem Ausflug auf der Ruhr das Schiff der Weißen Flotte verließen.

Wer sie schnell wiedersehen möchte, muss fortan nur das Fernsehgerät anschalten: Die Mülheimerin Juliane Schenk, auf deren erhabene Klasse der Weltranglistenplatz sechs verweist, startet am Samstag in der Londoner Wembley Arena ins olympische Badminton-Turnier. Einstieg in das Unternehmen Medaillengewinn.

Entspannung auf der Schleuseninsel

Auf der Schleuseninsel, auf der die Sportsoldatin oft joggt oder einfach die Seele baumeln lässt, herrschte so etwas wie Ruhe vor dem Sturm. Nach all den mit Terminen, Turnieren und köstlichen Erfolgen erfüllten Monaten ruhte die in Krefeld geborene 29-Jährige in sich selbst.

Nach dem Triumph, als sie in Singapur als erste Deutsche ein Turnier der Kategorie Superseries gewann und sich zum richtigen Zeitpunkt für den olympischen Auftrag mit zusätzlichem Selbstvertrauen betankte, hatte sie bewusst am Wohnort die Konzentration gesucht: „Ich verbringe die Zeit vor Olympia im heimischen Umfeld. Nach der Zeit in Asien möchte ich meine Kraftreserven mobilisieren. Ich gestalte meine Trainingseinheiten ganz gezielt und gebe dem Mentaltraining großen Spielraum“, hieß es wenige Tage vor dem Abflug nach London.

Die Ankunft auf der britischen Insel (nach weiteren entspannenden Tagen bei den Eltern und den Freunden in Krefeld) war gleichzeitig eine Rückkehr. Mülheims amtierende Sportlerin des Jahres hatte in eben dieser Wembley Arena im vergangenen Jahr ihre imposante Erfolgsstory mit dem Gewinn von WM-Bronze um ein weiteres gewichtiges Kapitel erweitert. „Das war ein Highlight, wobei ich im Halbfinale nicht das gezeigt habe, was ich kann. Es wird sich bei Olympia vom Ablauf her nicht viel verändern im Vergleich zur WM. Und es kann gewiss nicht schaden, die Gegebenheiten vor Ort zu kennen. Ich verknüpfe London mit sehr, sehr schönen Erinnerungen.“

Aus Niederlagen lernt man

Nun macht sich die Nummer sechs in der Welt und beste Europäerin bei ihrer dritten Olympiateilnahme nach Athen und Peking an die Arbeit, sich und dem Deutschen Badminton-Verband eine weitere Sternstunde zu bescheren. Chef-Bundestrainere Jakob Høi geht vom guten Gelingen aus: „Juliane ist eine Ausnahmespielerin. Sie hat ja auch selbst gesagt, sie fährt nach London, um eine Medaille zu holen.“ Im Zeichen der fünf Ringe war in Athen und in Peking schon nach der ersten Runde Feierabend. Mit Blick darauf hält es die Athletin mit den Hobbies Lesen, Kochen und Musik mit dem chinesischen Weltstar Lin Dan: „Aus den bittersten Niederlagen lernst du am meisten.“

Mit dem erklärten Ziel vor Augen, wird an der Themse, wo die Eltern, der Bruder mit Ehefrau und enge Freunde zum Schenk-Clan gehören, nichts dem Zufall überlassen. „Wir versuchen alles, um die ganze Sache professionell zu gestalten“, heißt es. An den ersten Tagen hat Juliane Schenk im Olympischen Dorf mit ihrer Teamgefährtin Birgit Michels das Zimmer geteilt und das besondere Flair dieser internationalen Begegnungsstätte geatmet, am Freitag hat sie mit ihrer Mentaltrainerin und engen Vertrauten Gaby Frey und deren Kindern ein eigens angemietetes kleines Haus bezogen, das nur wenige Kilometer von der Wembley Arena entfernt ist. In dieser atemberaubenden Sportstätte steigt sie Samstag (21.52 Uhr MEZ) gegen die Tschechin Kristina Gavnholt in die Vorrundenspiele ein.

Austausch mit Gaby Frey

Der permanente Austausch mit Gaby Frey gilt für Juliane Schenk als Schlüssel zum nachhaltigen sportlichen Erfolg und zum Status der unantastbaren Weltklasse: „Sie hilft mir dabei, mit schwierigen Situationen gut umzugehen. Sie bringt mich auf Kurs, gibt mir die nötige Hilfestellung und prägt meine Entwicklung.“ Bleibt die Hoffnung, dass es mit der Last-Minute-Akkreditierung, die der Mentaltrainerin die Tür zur Arena öffnet, klappt.

Ist der letzte Ball geschlagen, folgt eine spezielle Belohnung auf dem Fuß. Der für alle deutschen Athleten gültigen Einladung des Deutschen Olympischen Sportbundes, mit der „Deutschland“ nach Hamburg zu schippern, wird Juliane Schenk nicht folgen. „Das Leben hält viele Highlights bereit. Ich habe noch eine andere Einladung.“ Am 11. August geht es in den Sauerlandpark Hemer, wo der melancholische Barde Unheilig gastiert. Doch zunächst heißt es in London: Bühne frei!