Der Journalist Neil MacFarlane schildert, wie wenig Niederschlag die EU-Wahl in der Partnerstadt Darlington findet.

Wahlkampfplakate für die Europawahl am 7. Juni sind in Mülheim an vielen Straßenecken zu sehen, Kandidaten für das EU-Parlament geben sich in Veranstaltungen diskussionsfreudig. Aber wie ist es um das Thema Europawahlkampf in Mülheims Partnerstädten bestellt? Die WAZ hat einen Redakteur von der Zeitung „The Northern Star” aus der Mülheimer Partnerstadt Darlington in Großbritannien gebeten, die Sicht von Darlington auf Europa darzustellen:

„Die Parteien haben am vergangenen Dienstag mit ihrem Wahlkampf für die Europawahlen begonnen. Aber in der Ausgabe des „Northern Echo” am Mittwoch war der Wahlkampfauftakt überhaupt kein Thema. Das sagt alles darüber aus, wie die Europäische Union hier im Nord-Osten Englands gesehen wird.

Anders als auf dem Kontinent oder im angrenzenden Irland spielen die wichtigen europäischen Themen in der öffentlichen Debatte keine Rolle. Ich habe das Gefühl, dass Großbritannien sich mehr in den gesamteuropäischen Angelegenheiten engagieren und einbringen sollte, aber das ist die Meinung einer Minderheit. Die Briten sind zum Beispiel generell gegen den Euro und viele Bürger glauben, dass europäische Abgeordnete zu viel Zeit damit verbringen, um über unwichtige Angelegenheiten zu diskutieren wie zum Beispiel darüber, unsere Maßeinheiten zu verbieten oder um Gesetze zu verabschieden, die die Größe und die Form von Bananen regulieren.

Neil MacFarlane

Neil MacFarlane (29) wurde in Schottland geboren und studierte an der Universität in Aberdeen.

Der Nordosten Englands ist ihm seit seinem elften Lebensjahr vertraut. MacFarlane arbeitet seit 2004 für verschiedene Zeitungen, seit 2007 Jahren ist er leitender Redakteur bei der Zeitung „The Northern Echo”. Seine Schwerpunkte liegen zum einen auf den Nachrichten aus Darlington und zum anderen auf regionalen Geschichten aus dem Nordosten Englands.

Der Wahlkampf wird bei uns kaum Niederschlag finden. Für die britischen Medien ist bei der Wahl nur interessant, welche Hinweise uns die Europawahl auf das Wahlverhalten der Briten bei den nächsten nationalen Wahlen geben wird. Gordon Brown und die sozialdemokratische Regierung liegt in den Umfragen hinter den Konservativen. Aber die Europawahl wird einen genaueren Hinweis darauf geben, wer wirklich vorne liegt. Obwohl diese Wahl einem komplett anderen Parlament gilt. Die britischen Kandidaten für das EU-Parlament sind unbekannt. Deswegen glauben wir, dass viele Bürger genau der Partei ihre Stimme geben, von der sie auch glauben, dass sie den nächsten Premierminister stellen sollte.

Viele Briten haben Angst, dass wegen der geringeren Wahlbeteiligung die Europawahl eine Chance für die kleineren extremistischen Parteien sein könnte, an Boden zu gewinnen. Die national-britische Antiimmigrations-Partei (BNP) benutzte die Europawahlen schon öfter, um ihre glücklicherweise kleine Anhängerschaft zu mobilisieren. Die drei Parteien der politischen Mitte warnen regelmäßig, dass Wahlmüdigkeit Parteien wie der BNP ermöglicht, aufzublühen.

In Darlington wurde die EU im Jahr 2004 zum Thema, als neue Mitgliedstaaten wie Polen oder Tschechien der EU beitraten. Tausende Polen ließen sich in unserem County Durham nieder und einige der schwarzseherischen Kommentatoren sagten Integrationsprobleme voraus. Glücklicherweise kam es anders und ein Großteil unserer europäischen Freunde hat sich gut eingelebt – wir haben jetzt sogar eine wöchentliche Kolumne in polnischer Sprache in unserer Zeitung. Viele Bereiche unserer Wirtschaft sind auf Menschen aus den neuen Mitgliedsstaaten angewiesen und es besteht Grund zur Sorge, dass sich mit der Rezession in Großbritannien viele entscheiden, wieder in ihr Heimatland zu gehen.

Aber im Großen und Ganzen sind europäische Belange für die Bürger in Darlington uninteressant. Es sei dahingestellt ob das richtig oder falsch ist. Aber die Menschen glauben, dass europäische Themen sie nicht betreffen. Diese Einstellung mag sich ändern, wenn sich die ökonomischen Probleme fortsetzen. Nachdem Brüssel lange ignoriert wurde, kann es sein, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft demütig, „cap in hand” wie der Brite sagt, um Hilfe bitten werden.”

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