Mülheim. .
In diesem Raum ist es anheimelnd, hell, freundlich und kuschelig. Und überall sind Babys. Die meisten davon liegen aber einfach nur so rum, denn es sind Puppen, die auf den ersten Blick von den echten quietschfidelen Kleinen mit den rudernden Speckbeinchen kaum zu unterscheiden sind. Und wo der Nachwuchs ist, da sind Frauen (aber auch zwei Väter) nicht fern. Ein Wohlfühl-Ort, der wie gemacht ist für kleine Menschen, die in den ersten Wochen und Monaten anfangen, ihre Umgebung wahrzunehmen.
Für einen guten Start ins Leben wollen die Familienhebammen in den Räumen an der Wallstraße 5 sorgen. Wenngleich Jennifer Jaque-Rodney und ihre drei Kolleginnen auch mobil unterwegs sind. Ziel des Unternehmens ist es, „Frauen, die unsicher sind, nahezubringen, wie sie mit Babys umgehen können, um eine gute Beziehung und Bindung mit ihnen aufbauen“, sagt die Hebamme.
Antworten auf Fragen während der Schwangerschaft
Aber auch schon während der Schwangerschaft und danach kommen Frauen jeden Alters, darunter besonders Junge und Alleinerziehende sowie Frauen aus anderen Kulturkreisen vorbei und können dort Antworten auf ihre Fragen finden – faktisch wie praktisch. Wie bei dem Geburtsatlas, einer Art großer Umklappkalender, wo mit farbigen Blättern der Verlauf einer Schwangerschaft und das jeweilige Stadium im Mutterleib abgebildet ist. Anhand eines Modells wird demonstriert, wie der Geburtsvorgang funktioniert. Wer weiß denn schon, dass Frauen ein flexibles Steißbein haben, dass bei der Geburt nach hinten klickt?
„Bubis“ nennt sich das Projekt Familienhebammen unter dem Dach der „Mülheimer Gesellschaft für soziale Stadtentwicklung“. Durch Mittel der Leonhard-Stinnes-Stiftung sei der Hebammenladen bis Januar 2014 gesichert, erläutert Nina Frense vom Sozialdezernat. Anders als eine Abteilung von Gesundheits- oder Jugendamt könne man in dieser Form autonomer arbeiten, die Schwellenangst bei den Frauen falle weg, so Jennifer Jaque-Rodney.
„Wir haben hier viel Zulauf – auch ohne dass wir die Frauen bis zum Geburtsvorgang begleiten“, sagt die Hebamme. Und: „Wir spüren, dass die Frauen gerne vorbeikommen.“ Die ersten Erfahrungen seien positiv, was zeige, „dass in Mülheim ein großer Bedarf da ist“. An verstärkten Kooperationen mit freien Hebammen, Schwangerschaftsberatungsstellen, Gynäkologen und Kinderärzten wird gearbeitet.
Spende über E-Bikes und Geld
Rund 60 Frauen, darunter 20 Schwangere und 40 mit Kleinkindern, werden aktuell im Hebammenladen betreut und begleitet. Und damit die Hebammen mobil bleiben, hat RWE das Projekt mit einer Spende ein bisschen angeschoben. Mit E-Bikes und Geld, von dem Hebammen-Taschen und die Puppen angeschafft wurden.
Seit 20 Jahren ist Jennifer Jaque-Rodney Geburtshelferin. Sie ist sogar erste Familienhebamme in NRW und Familienhebammen-Beauftragte des Landes NRW. Die aparte Frau kommt aus London und hat Wurzeln in Jamaika und China. Multikulturell geprägt, liegt ihr das Thema Frauengesundheit sehr am Herzen. Und so hat sie in ihrer engagierten Art bereits Türen und Tabuthemen aufgemacht. Vor 35 türkischen Frauen hielt die Hebamme einen Vortrag. Ein offenes Gespräch unter Frauen, das nicht das letzte gewesen sein soll.