Mülheim. .
Eren ist zehn Jahre alt und misst trotzdem erst deutlich weniger als 1,20 Meter. Er leidet unter dem Down Syndrom, einer geistigen Behinderung, mit der 30- bis 50 000 Menschen in Deutschland leben. Doch wie viele andere Jungen in seinem Alter ist auch Eren ein begeisterter Fußballspieler. Vor einigen Wochen hat er sich daher dem TuS Union 09 angeschlossen.
An der Südstraße gibt es die bislang einzige Mannschaft für Kinder und Jugendliche mit Handicap in Mülheim. Im Jahr 2006 hat der damalige Jugendleiter Christian te Heesen dieses Team ins Leben gerufen – pünktlich zur Weltmeisterschaft in Deutschland. Te Heesen war damals Lehrer an der Rembergschule, wo Kinder mit Behinderung unterrichtet werden. Er stellte fest, dass das Interesse am Fußball fast alle Kinder – egal ob mit oder ohne Handicap – vereint. Daher installierte er bei seinem Heimatverein das sogenannte I-Team. Das „I“ steht in diesem Fall für Integration von Kindern mit und ohne Behinderung.
Te Heesen begann mit sechs Kindern. Im Laufe der Zeit kamen durch die Zusammenarbeit mit der Lebenshilfe immer wieder Neulinge dazu. Heute gehören der Gruppe 30 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene an. Aufgrund der großen Anzahl und der gehörigen Altersspanne haben die Unioner das Team mittlerweile geteilt – in eine Mannschaft für Unter-15-Jährige und eine für Über-15-Jährige.
Der heutige Jugendleiter Frank Rundt wäre wohl gar nicht zum Fußballklub an der Südstraße gekommen, hätte nicht auch sein Sohn Dominik eine starke geistige und körperliche Behinderung. „Wir haben damals nach Sportvereinen in Mülheim gesucht, die auch Jugendliche mit Behinderung aufnehmen. Die sind leider immer noch rar gesät“, weiß Rundt.
In NRW besteht ein Pool aus sieben bis acht Fußballmannschaften, die sich fünf- bis sechsmal im Jahr zu Turnieren treffen. Eine eigene Liga gibt es noch nicht. „Das ist auch gar nicht schlimm“, sagt Trainer Dirk Thiede. „Bei den Kindern soll der Spaß im Vordergrund stehen und kein Leistungsdruck entstehen.“ Thiede betreut das I-Team der „09er“ seit etwa zwei Jahren zusammen mit Udo Astrath und Bruno Livoti. Letzterer ist schon seit viereinhalb Jahren dabei und zieht sich nun zurück. Dafür hat der TuS mit Sebastian Simon und Kristina Hanenberg zwei junge lizenzierte Trainer dazubekommen. Sie kümmern sich hauptsächlich um die Gruppe der älteren Spieler.
Die 90-minütigen Trainingseinheiten des I-Teams bestehen meistens aus zwei Abschnitten. Zunächst werden 45 Minuten lang leichte Übungen ausgeführt. Passen, Dribbeln, Schießen. Jeder Treffer wird auch hier laut bejubelt. Ein „echtes“ Fußballtraining findet nicht statt: Anschließend werden zwei Mannschaften für ein lockeres Trainingsspiel gebildet.
Hin und wieder nehmen auch Geschwisterkinder, die kein Handicap haben, am Training teil. Oder es wird ein Trainingsspiel gegen eine andere Union-Jugendmannschaft bestritten. „Dadurch integrieren wir die Spieler in das Vereinsleben“, erklärt Frank Rundt die Idee des „I-Teams“.
Das Spielen in einer echten Mannschaft hat den Jugendlichen eine Menge Selbstvertrauen gebracht. „Einige musste man anfangs förmlich auf den Platz zerren und jetzt kämpfen sie wie selbstverständlich um den Ball und gehen mit einer ganz anderen Sicherheit zu Werke“, hat der Jugendleiter beobachtet. Für diese Entwicklung ist es wichtig, dass sich die Trainer und Betreuer für jeden Spieler genügend Zeit nehmen. „Wir haben hier die unterschiedlichsten Formen von Behinderungen. Da muss man als Trainer viel Geduld haben und auf jeden ganz individuell eingehen“, erklärt Rundt. Einige könnten von ihrer körperlichen Verfassung sicherlich in einer Regelmannschaft mitspielen. „Doch da würden sie oft die Anweisungen der Coaches nicht verstehen.“
Zwei Turniere veranstaltet der TuS Union 09 am Samstag, 16. Juni, für seine „I-Teams“ auf der Anlage an der Südstraße. Jeweils sechs Teams gehen dabei in den beiden Altersklassen an den Start. Ergebnisse sind nebensächlich. Am Ende erhält jeder Spieler ein Präsent, damit er sich als Gewinner fühlen kann, egal auf welchem Platz er gelandet ist. In der Ü15-Klasse sind auch die „Saarner Wiesentreter“ mit dabei. Dies ist eine Freizeitgruppe, die in Zusammenarbeit der Lebenshilfe und der Fliednerwerke entstanden ist.