Mülheim..

Die ersten Minuten entscheiden, ob die Chemie stimmt. Das gilt auch für Vorstellungsgespräche, in denen der Funke zwischen Arbeitgeber und Bewerber gleich überspringen sollte. Zum bundesweiten Tag des Ausbildungsplatzes lud die Agentur für Arbeit daher zum Chef-Dating ein. Im zehnminütigen Gespräch können sich Ausbildungssuchende ihrem potenziellen Arbeitgeber präsentieren, Kontakte knüpfen und Praktikumsplätze sichern.

In der Styrumer Grundschule an der Schlägelstraße läutet Marlies Pesch-Krebs mit der Glocke zum Unterricht. Bewerber und Arbeitgeber folgen dem Aufruf und hocken sich in die engen Bänke des historischen Klassenzimmers. Dort gibt die Ehrenamtliche des Geschichtsgesprächskreises eine Unterrichtsstunde wie im Jahr 1896. Denn das Chef-Dating steht unter dem Motto „Arbeitgeber drücken die Schulbank“. „Zunächst setze ich meine strenge Mine auf“, sagt die Lehrerin und kontrolliert die Hände ihrer „Schüler“ auf Sauberkeit. Auf der Schiefertafel dürfen die Jugendlichen und die Chefs den Buchstaben „i“ in Sütterlin üben, Marlies Pesch-Krebs erklärt: „Das war der erste Buchstabe, den Kinder damals gelernt haben – daher heißen Schulanfänger i-Dötzchen.“ Danach gibt’s eine Demonstration im Stillsitzen, das lockert die Stimmung und bringt die Dating-Partner zum Lachen.

Aktion zum Tag des Ausbildungsplatzes

In angenehmer Atmosphäre lässt es sich eben besser kennen lernen. Schließlich sind Vorstellungsgespräche vor allem mit Nervosität als mit Spaß verbunden. Jedes Jahr veranstaltet die Agentur für Arbeit eine Aktion zum Tag des Ausbildungsplatzes. „Um einerseits auf das Thema aufmerksam zu machen und das Ganze attraktiv und mit Spaß zu gestalten“, erklärt Agentur-Sprecherin Katja Hübner.

Nach der Unterrichtseinheit starten die Teilnehmer in die Gespräche. An mehreren Tischen haben sich acht Unternehmen in der Schule platziert, darunter Hotels, Handwerksbetriebe, Versicherungen oder Einzelhändler. Auch Dieter Schwabl, Verkaufsleiter bei Döbbe, ist für sein Unternehmen auf der Suche nach geeigneten Kandidaten. Denn: „Es wird immer schwieriger, Auszubildende zu finden – wir suchen daher händeringend Fachverkäuferinnen.“ Vor allem die Arbeitszeiten schreckten viele junge Leute von einer Lehre zum Bäckereiverkäufer ab.

Dates mit den Arbeitgebern

Gül Ekiz hat mit Frühaufstehen und dem spätem Feierabend kein Problem. „Meine Eltern haben einen Imbiss, daher kenne ich die Arbeit hinter dem Tresen.“ Die 22-Jährige nutzt das Chef-Dating, um persönlich in Kontakt mit dem Unternehmen zu kommen. Im Gespräch warnt Dieter Schwabl vor den Arbeitszeiten, zeigt ihr aber auch positive Perspektiven auf. „Da es einen großen Bedarf an Verkäuferinnen gibt, werden Sie wohl nie arbeitslos werden.“ Auch die Aufstiegschancen, Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit und die Gehaltsaussichten erklärt Dieter Schwabl. Gül möchte nun ein Praktikum bei Döbbe machen, um zu schauen, ob der Job für sie in Frage kommt.

Kevin Meyer will sich nicht gleich in einen bestimmten Job vergucken – er hält sich mehrere Optionen offen. Der 20-Jährige datete gleich drei mögliche Arbeitgeber: eine Versicherung, ein Hotel und einen Handwerksbetrieb. „Ich möchte mich nicht gleich festlegen, sondern flexibel sein und so die Chancen auf eine Lehrstelle erhöhen.“ Eine Zusage für ein vierwöchiges Praktikum beim Sanitär- und Heizungsbaubetrieb hat Kevin nach einem Gespräch in der Tasche. „Das Chef-Dating hat sich für mich also gelohnt.“

Das findet auch Klaudia Mertins. Die 20-Jährige hat im vergangenen Jahr ihr Abitur gemacht und seitdem bereits einige Bewerbungen verschickt. Ihr Traumjob: Versicherungskauffrau. Eine Einladung zum Assessment-Center einer Versicherung hat sie bereits bekommen. „Heute habe ich schon einmal vorab persönlich Kontakt aufgenommen“, sagt sie. Wie die meisten jungen Leute, die zum Dating gekommen sind, sieht sich auch Klaudia nun im Vorteil gegenüber ihren Mitbewerbern. Denn: Die meisten Chefs haben die Bewerber auf ein zweites Date eingeladen.