Mülheim. .

Auch Mülheim ist ein Teil von Europa. Nach Euro-Krise, millionenschweren Rettungsschirmen und Fastpleiten von Staaten schlugen die Redner auf dem Kurt-Schumacher-Platz die Brücke von der Stadt an der Ruhr zum Staatenverbund, von bald anstehenden Streiks vor Ort zu internationalen Ratingagenturen. Die Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zum Tag der Arbeit stand unter dem Thema „Gute Arbeit für Europa. Gerechte Löhne – soziale Sicherheit“.

Das langsam lauter werdende Trommeln kündigt es an: Der Demonstrationszug, der an der Wiesenstraße gestartet ist, ist auf der Eppinghofer Straße, auf dem Weg gen City. Auf dem Kurt-Schumacher-Platz ist die Bühne schon bereitet. Im Halbkreis sind die Infostände von Gewerkschaften, Initiativen und Parteien davor positioniert. Auch der Auto Club Europa (ACE) hat, vielleicht motiviert vom Kundgebungsmotto, einen Vertreter geschickt. Dazwischen stehen Grill und Bierwagen, Kaffeemaschinen und Bierbänke.

Der Platz vor dem Forum, wo der DGB seit einigen Jahren seine Maikundgebung abhält, ist gemütlicher als der Rathausmarkt; man könnte auch sagen: Er ist kleiner. Und als sich nun die Teilnehmer der Demonstration mit ihren Fahnen und Bannern darauf verteilen, ist er gut gefüllt. Bis hinunter zur Hüpfburg, die am Beginn der Schloßstraße aufgebaut ist, stehen die Menschen in Grüppchen. So viele, wie sich in den vergangenen Jahrzehnten vor dem Rathaus versammelten, sind es aber nicht mehr.

Die zentralen Forderungen der Gewerkschaften greift der frisch gewählte Volker Becker-Nühlen in seiner ersten Rede als Vorsitzender des Mülheimer DGB-Stadtverbands auf: Mindestlöhne, Übernahmegarantie für Auszubildende, mehr tarifliche Beschäftigung. Es sagt das in einem Land, in dem „Löhne als reiner Kostenfaktor angesehen“ würden, den „es zu drücken gilt“. Arbeit müsse wieder etwas Wert sein. Damit wärmt sich Becker-Nühlen wohl für das Kommende auf: Die Friedenspflicht in der Metall- und Elektroindustrie ist Ende April abgelaufen – und die ersten Warnstreiks sind bereits für die kommende Woche geplant. Am 8. Mai, kündigt Mülheims DGB-Chef an, werden auch in Mülheim die in dieser Branche Beschäftigten die Arbeit niedergelegen.

Deutliche Worte in typischer Gewerkschafter-Manier findet Dietmar Schäfers. Der Bundesvorsitzende der IG BAU nimmt als Hauptredner vor allem die Euro-Krise und deren Folgen in den Blick. Gegen „Bankenzocker“ und Ratingagenturen, die er als „Stachel im Fleisch der sozialen Gerechtigkeit“ bezeichnet, wettert er und gegen den Umgang mit der Krise. Vehement stellt er sich gegen die beschlossene Sparpolitik, gegen Maßnahmen in Griechenland, Spanien und Italien, die auch eine „Beschneidung der gewerkschaftlichen Arbeit“, „Eingriffe in die Tarifautonomie“, Lohnkürzungen bedeuteten. Die „Schwächung der Arbeitnehmerrechte“ bedeute auch ein „Abwürgen der Wirtschaft“. „Wir brauchen eine wirksame Finanzmarktregulierung“, fordert Schäfers. „Und wir brauchen Konjunkturprogramme statt Kürzungspolitik.“ Sonst, sagt er, dürfe man sich nicht wundern, „wenn sich immer mehr Menschen von der guten Idee der EU abwenden“. Eine wirksame Finanzmarktregulierung sowie eine Finanztransaktionssteuer seien unerlässlich: „Wir müssen das Geld da abholen, wo es eingesackt wird.“

Mit Blick auf Deutschland bleibt die Rente mit 67 alljährliches Thema am Tag der Arbeit. Die Rücknahme „dieses Irrsinns“ fordert Schäfers und eine „große Rentenreform“, um die Altersarmut nicht weiter steigen zu lassen, sowie eine Steuerreform.

Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld sprach bei der Maikundgebung auf dem Kurt-Schumacher-Platz. In ihrer Rede betonte sie die Leistung der Gewerkschaften und beglückwünschte Verdi abermals zum Tarifabschluss im öffentlichen Dienst. Trotz leerer Stadtkassen könne sie das Stöhnen von Kommunen und Gemeinden nicht verstehen: Nicht gerechte Löhne seien der Grund für leere Kasten, sondern das Übertragen nicht finanzierter Aufgaben durch Land und Bund. Sie war zudem die einzige, die gleiche Entlohnung für Männer und Frauen forderte. Zu sehen, dass sich das Gehalt in weiblich dominierten Berufen nach unten entwickle, mache sie wütend: „Das Verwalten von Kapital und Waren“ dürfe als Beruf nicht mehr wert sein als der Dienst am Menschen.