Mülheim. . In mehreren Fällen haben sich Beschäftigte mit Hilfe der Gewerkschaft Verdi erfolgreich gegen sittenwidrige Entlohnung gewehrt. So musste etwa ein Rewe-Händler aus Oberhausen 7500 Euro Lohn an eine Fleischverkäuferin nachzahlen.

5,50 Euro brutto für eine Stunde Arbeit im Lebensmitteleinzelhandel – mit Hilfe der Gewerkschaft Verdi hat erst gestern wieder eine Beschäftigte vor dem Arbeitsgericht in Oberhausen einen Erfolg im Kampf gegen sittenwidrige Entlohnung erzielt. Verdi will sich künftig nicht nur im Gerichtssaal mit auffällig gewordenen Arbeitgebern auseinandersetzen, sondern ihnen öffentlichkeitswirksam „auf die Pelle rücken“. Mit Aktionen vor den Markteingängen will die Gewerkschaft Verbraucher aufmerksam machen auf schwarze Schafe im Handel.

Zuletzt hatte Verdis Kampf gegen sittenwidrige Löhne in mehreren Fällen bei der Speldorfer Getränkemarktkette Trink & Spare für Aufsehen gesorgt. Der Arbeitgeber musste den von Verdi betreuten Mitarbeitern in allen Fällen Geld nachzahlen. Gestern war ein Rewe-Händler aus Oberhausen vor dem Arbeitsgericht angeklagt, eine Fleischverpackerin mit einem Bruttostundenlohn von 5,50 Euro abgespeist zu haben. Üblicher Tarif laut Verdi-Sekretär Günter Wolf: 10,79 Euro. Die Gewerkschaft forderte gut 9900 Euro Nachzahlung.

Der Arbeitgeber verweigerte. Vor Gericht machte er erst das Angebot, den Arbeitsvertrag mit der Mitarbeiterin gegen eine Abfindung von 1500 Euro aufzuheben. Ohne Erfolg. Schließlich bot er eine künftige Entlohnung von 7 Euro an – für Verdi und Mitarbeiterin nicht akzeptabel, weil immer noch sittenwidrig.

Verfahren endete im Vergleich

Erst nach dem energischen Hinweis der Richterin, wegen des etwaigen Straftatbestandes des Lohnwuchers auch die Staatsanwaltschaft einschalten zu können, ließ sich der Marktbetreiber auf einen Vergleich ein. Er zahlt Lohn in Höhe von 7500 Euro nach, künftig gibt es 9 Euro pro Stunde für die Verpackerin.

Auch ein Fall von der Heimaterde endete aus Sicht der Arbeitnehmerseite mit einem zufriedenstellenden Ergebnis. Geklagt hatte eine schwerbehinderte Beschäftigte von Edeka Kels. Sie forderte von ihrem Arbeitgeber eine Lohnnachzahlung für wöchentlich 2,5 Stunden außertariflich abverlangte Mehrarbeit. Als sie im Spätsommer 2011 ihre Ansprüche geltend gemacht hatte, reagierte ihr Arbeitgeber prompt mit einer Sammlung von gleich sechs Abmahnungen wegen vermeintlichen Fehlverhaltens. Verdi sah darin Schikane. Gegen die „Bagatellverstöße“, unter anderem das Übersehen von neun Marzipanriegeln mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum im Regal, hat Verdi eine Gegendarstellung für die Personalakte verfasst.

Beim Kammertermin gestern ging es ausschließlich um den Lohn. Auch dieses Verfahren endete im Vergleich. Die Klägerin erhält eine Nachzahlung von 500 Euro – und damit etwa die Hälfte ihrer Forderung. Zusätzlich verpflichtete sich Edeka Kels, ihr ab Juli nicht mehr 17,50 Euro netto Kittelgeld vom Lohn abzuziehen. Die Beschäftigte ist seit September 2011 arbeitsunfähig geschrieben. „Wir werden aufpassen und die Kollegin schützen, wenn sie ihre Arbeit wieder aufnimmt“, so Wolf.

Verdi will Kunden aufklären

Heike Kels-Betram als Gesellschafterin des Edeka-Familienbetriebs sagte auf Nachfrage der WAZ gestern, dass es keinen Anlass gebe, den gestrigen Vergleich als Maßstab für eine Neujustierung anderer Beschäftigungsverhältnisse in ihren zwei Märkten auf der Heimaterde und in Ratingen anzusetzen. Grundsätzlich gebe es für Mehrarbeit Freizeitausgleich. Der WAZ sind anderslautende Schilderungen aus der Belegschaft bekannt.

„Wir werden bei Betrieben auftauchen, die sich nicht an die Spielregeln halten“, kündigt Verdi-Einzelhandelsexperte Günter Wolf öffentlichkeitswirksame Aktionen gegen Arbeitgeber an, die Lohndumping betreiben. Da falle aktuell „eine ganze Latte“ an Betrieben negativ auf. Mit den Aktionen will Verdi Kunden aufklären. Wolf: „Verbraucher können mit ihrem Kaufverhalten Einfluss nehmen.“ In Fällen von Lohnwucher erwägt Verdi, wie bei Trink & Spare Strafanzeige zu stellen.