Eis tut gut – wenn man sich etwa eine stumpfe Verletzung zugezogen hat. Der Orthopäde und Unfallchirurg Dr. Sven Nagel, Ltd. Oberarzt der Wirbelsäulenchirurgie und Oberarzt an der Klinik für Unfall-, Wiederherstellungs- und Orthopädische Chirurgie im St. Marien-Hospital, erklärt, warum das so ist.

Wann braucht man Eis im medizinischen Einsatz?

Nagel: Eis kann man sehr gut zur Kühlung bei der Erstversorgung von weniger starken Unfällen und kleineren Verletzungen verwenden. Nehmen wir mal an, Sie haben sich den Fuß umgeknickt, das ist eine Dehnung der Bänder. Man könnte eine sanfte elastische Wicklung machen und mit Eis kühlen. Cool-Pads haben denselben Effekt, aber es tut auch eine Tüte Eis.

Einst betreute ich eine Footballmannschaft medizinisch. Da gab es stets einen riesigen Eiskanister und Plastiktütchen. Diese Eisbeutel schmiegen sich auch hervorragend an eine Verletzung an.

Sollte man das Eis direkt auf die Haut packen?

Man darf die Haut nicht unendlich kühlen. Deshalb sollte man Eis nie direkt auf die Haut geben – es sei denn, man hat keine andere Wahl. Besser ist es, ein dünnes Baumwoll-Küchenhandtuch zwischen Haut und Eisbeutel zu legen.

Worauf ich alternativ immer schwöre, ist Quark: Aus dem Kühlschrank in ein Handtuch wickeln und direkt auf die betroffene Stelle legen. Quark nimmt Wärme sehr gut auf.

Was bewirkt das Eis genau?

Das Eis soll eine Schwellung verhindern. Wenn man eine Verletzung erleidet – also durch Umknicken oder durch einen Stoß – wird das Gewebe gequetscht oder gedehnt. Dabei werden u. a. die kleineren Blutgefäße zerstört. Dabei tritt Blut, wenn man nichts tut, ins Gewebe über. Es wird wärmer, weil sich die Blutgefäße öffnen und das Gewebe somit anschwillt. Es kommt zum Bluterguss. Wenn man diese Stelle kühlt, ziehen sich die Blutgefäße etwas zusammen. So tritt weniger Blut aus. Unterstützt durch eine Wicklung ist das eine Erstmaßnahme, die man selbst durchführen kann, damit die Schwellung nicht zu groß wird.

Wie sieht es mit dem Einsatz von Kühlung etwa bei Brandverletzungen aus?

Sehr schwer Brandverletzte werden in Räumen behandelt, die Körpertemperatur haben. Aber bei so genannten thermischen Verletzungen etwa im Haushalt ist fließendes kaltes Wasser sehr gut. Das ist ja eigentlich banal, weil es jeder weiß. Aber die Wirkung ist dieselbe wie bei dem Eisbeutel – die Reaktion des Körpers wird verlangsamt, die lokale Entzündungsreaktion fällt nicht so heftig aus. Außerdem, das merkt auch jeder, wird durch das Kühlen die Aktivität der Schmerzrezeptoren heruntergefahren. Trinkwasser ist in der Regel hierzulande keimfrei, man kann es also auch mal durch eine kleine Wunde fließen lassen.

Gibt es weitere Einsatzmöglichkeiten für Kälte in der Medizin?

In der Chirurgie, etwa in der Wirbelsäulenchirurgie, kann man mit Eis bestimmte Körperzellen behandeln. Es gibt Verfahren für die Zwischenwirbelgelenke: Mit Kälte werden Nervenfasern, die den Schmerz leiten, behandelt. Meistens macht man das aber mit Hitze.