Am Mittwoch, 29. April, ist der internationale „Tag des Lärms”. Was nun nicht bedeutet, dass man besonders laut sein darf.

Vielmehr nutzt die Deutsche Gesellschaft für Akustik diesen „Internationalen Lärm-Gedenktag”, um Krach zu schlagen, damit die Menschen genau hinhören auf die Geräusche, die sie jeden Tag umgeben, und die für sie zur Belastung werden können.

„Horch, was kommt von draußen rein!” heißt das diesjährige Motto des Tages gegen Lärm. Wir hörten dreifach hin – und nur selten wurden dabei leise Töne angeschlagen.

In der Druckerei

Lautstärke ist relativ. Und anscheinend auch Gewöhnungssache. „Die alten Maschinen waren viel lauter”, betont Frank Peylo – und muss dabei merklich die Stimme heben. Der Geschäftsführer der Druckerei Thierbach steht mitten zwischen ratternden Maschinen. Rhythmische, zischende Geräusche kommen von links, von einer Rückenheftmaschine, die Druckluft ablässt, stetig, so als würde sie den Takt vorgeben. Über den legt sich das konstante Grollen der Druckmaschine, mal schneller, mal leiser, aber immer da. Alles relativ leise für Peylo: „Das ist kein Vergleich zu den alten Buchdruckmaschinen. Bei denen vibrierte das ganze Haus.”

Dennoch ist auch die neue Druckmaschine, die erst seit Februar im Einsatz ist, immer noch laut genug. Ohrenstöpsel tragen viele der Mitarbeiter – aber nicht alle, denn Pflicht ist es nicht. Michael Scheich-Melchers hat Pfropfen in den Ohren, weil er nämlich mit selbigen Probleme hat, regelmäßig beim Arzt auflaufen muss. Doch: „Das liegt nicht unbedingt an der Arbeit.” Der begeisterte Konzertgänger, Vater und Drummer relativiert sofort: „Lärm gibt es ja überall.” Doch der Geräuschpegel in seiner Druckerei, das muss Frank Peylo zugeben, der ist konstant und überall zu hören. Auch durch mehrere Türen und Wände bleibt immer ein dumpfes Grollen. Als schlimmer empfinden die Drucker allerdings die Warntöne der Maschine. „Penetrant laut” seien die, richtig schlimm schrill. Denn laut Vorschrift der Berufsgenossenschaft muss man sie durch die Ohrenschützer hören. Doch auch daran könne man sich gewöhnen, sagt Mitarbeiter Ulrich Holl: „Nach zwei Jahren hört man das gar nicht mehr.” Dennoch, räumt der Chef ein, kann er sich „vorstellen, dass die stete Lärmbelastung unbewusst Stress verursacht”. Deshalb macht das ganze Thierbach-Team gemeinsam Mittagspause. Dann stehen alle Maschinen still: „Damit man zur Ruhe kommt.” Und mal seine Ruhe hat.

Die Ruhr

Ganz leise platschen kleine Wellen gegen das Ufer. Gräser rauschen im Wind. Irgendwo bellt ein Hund. Der Leinpfad an der Ruhr zählt wohl zu den wenigen Ruheoasen, die es in unserer lauten Zeit noch gibt. Vögel zwitschern in den Bäumen, Enten quaken um die Wette, auf leisen Gummisohlen laufen Jogger über den dunklen Asphalt des Pfades und Nordic Walker schleifen ihre Stöcke leicht über den Boden. Es ist beinahe idyllisch an der Ruhr unter der tief stehenden Abendsonne. Wie in einer anderen Welt, fernab von Autos, Lärm und Abgasen.

Doch ganz still ist es auch hier nie. Die Stille an der Ruhr, in die sich viele Menschen in ihrer Freizeit gerne zurückziehen, wird dennoch leicht gestört. In weiter Ferne ist das monotone Rauschen der Autos und Lkw zu hören, die über die Ruhrtalbrücke preschen. Auch der Fluglärm ist vernehmbar. Wenn man sich darauf konzentriert.

Doch, wer auf einer Bank am Ruhrufer sitzt, sich die Sonne ins Gesicht scheinen lässt und dabei die Augen schließt, kann diesen Lärm ausblenden. In diesem Moment klingt er gar fast angenehm, ein wenig so als hielte man sich im Urlaub eine Muschel ans Ohr.

Aktienstraße

Mit Quietschen und Zischen fährt der Lastwagen an. Die Ampel an der unteren Aktienstraße, dort wo die Mellinghofer Straße per Unterführung kreuzt, ist gerade auf Grün gesprungen. Auch der Motorradfahrer auf der Nebenspur gibt kräftig Gas, jagt den Motor nach oben. Nur schnell los, damit man vor der Straßenbahn bleibt, ehe aus getrennten Spuren eine gemeinsame wird.

Kein Problem für den Zweiradfahrer, die Tram fährt gemächlich los – aber hörbar. Die Räder rattern in den Schienen, begleitet von einem elektronischen Zischen, das aber bald von dem Rumpeln der Autos auf dem die Schienen säumenden Kopfsteinpflaster abgelöst wird.

„Das ist hier immer so”, weiß Alan Rahim. Er wohnt nur ein kurzes Stück die Aktienstraße hinauf und kann gar nicht sagen, was ihn mehr stört, die laute Straßenbahn oder die lauten Autos: „Eigentlich ist alles schlimm.” Vor vier Monaten erst ist er in seine Wohnung gezogen, aber „ich bleibe hier wohl nicht mehr lange wohnen. Man findet einfach keine Ruhe.” Und ruhelos mag er sein Leben nicht verbringen.