Mülheim..

Wie ein Markenzeichen ragt der Turm der Erlöserkirche über die Dächer der Heimaterde hinaus. Seit genau 50 Jahren klingen seine Glocken vom Sunderplatz aus in den Stadtteil, seit nunmehr 34 Jahren predigt Wolfgang Sickinger als Pastor in dem Evangelischen Gotteshaus. Zum 50. Geburtstag seiner Gemeinde hat er nur einen Wunsch – die Besinnung auf wahre Werte: „Dass die Gemeinde beim Evangelium bleibt und im Dienste des Nächsten handelt.“

Den Entschluss, die Erlöserkirche zu bauen, fasste das Presbyterium der Ev. Kirchengemeinde Heißen bereits 1952. In den Nachkriegsjahren zogen immer mehr Menschen in den Stadtteil und fanden Arbeit in den Zechen und in den Fabriken der Firma Krupp. Das kruppsche Wohnungsbauunternehmen hatte der Gemeinde das Gelände am Sunderplatz geschenkt – mit der Auflage, dort eine Kirche zu bauen. 1959 begannen schließlich die Bauarbeiten der Erlöserkirche. Nach ihrer Einweihung am 4. März läuteten die Glocken zum ersten Mal im Oktober 1962.

Damals war der Turm noch mit Ziegelsteinen verkleidet, genau wie das Kirchengebäude selbst. „Doch vor 20 Jahren wurde der Turm instabil und die Gemeinde beschloss, ihn zu renovieren“, erinnert sich Pastor Sickinger. „Sonst hätte er abgerissen werden müssen.“ So bekam das Markenzeichen der Gemeinde eine neue Konstruktion, einen neuen Anstrich, auch der Glockenstuhl wurde ordentlich befestigt. Ohne das Engagement der Gemeinde sei dies nicht möglich gewesen, weiß der Pastor. Genau wie die Anschaffung der neuen Orgel, für die die ehrenamtlichen Helfer sieben Jahre lang Spenden von über 200 000 Euro sammelten. 2007 konnte die neue Orgel schließlich eingeweiht werden. Eben das zeichne seine Gemeinde aus: „Es gibt sehr viele engagierte Menschen.“

Dennoch leidet auch die Erlöserkirche am Schäfchenschwund. Als der Grundstein gelegt wurde, zählte die evangelische Gemeinde rund 12 000 Angehörige. „Heute sind es etwa 2400.“ Auch wenn die Predigten damals länger und thematisch trockener waren – zu Zeiten seines Vorgängers, Pastor Paul Schoen, reichten die Bibel und das Wort, um die Menschen in die Kirche zu locken. „Das ist leider nicht mehr so“, weiß Pastor Wolfgang Sickinger. „Heute muss man mehr auf die Menschen eingehen.“ In einer Gesellschaft, die stark von Bildern geprägt ist, sei es schwierig, die Menschen zu erreichen.

Dem Rückgang – in allen Gemeinden und Stadtteilen zu beobachten – gilt es, entgegen zu wirken. Aber wie? Wolfgang Sickinger versucht die Menschen mit modernen, anschaulichen Themen oder in Sozialen Netzwerken wie Facebook zu erreichen. „Dort bekomme ich nicht nur neue Kontakte, sondern versuche Inhalte einzubringen, kleine Andachten und Impulse, die zum Nachdenken anregen.“ Kurz und verständlich verpackt, sollen religiöse Inhalte auch bei jüngeren Nutzern ankommen. „Schließlich haben heute bereits die Konfirmanden Smartphones“, weiß Sickinger. „Man muss versuchen, sie anzusprechen und abzuholen.“

Auch die Zusammenarbeit und die Kooperation mit den anderen beiden Heißener Kirchengemeinden, Gnaden- und Friedenskirche, sei weiter zu stärken. Schließlich gilt es, Antworten auf diese Fragen zu finden: „Was kann aufrecht erhalten werden und mit welchen Mitteln?“

Ob die Erlöserkirche auch ihren 100. Geburtstag erlebt? Wolfgang Sickinger wünscht es sich. Und ist überzeugt: „Menschen brauchen eine Kirche – als Ort der Verkündigung.“