Mülheim.
Die Rennpferde haben ihre morgendlichen Runden gedreht, die Golfer kommen zum Abschlag auf das Green zwischen der Laufbahn. Im Clubhaus an der Raffelberger Rennbahn, eine der traditionsreichsten und schönsten weit und breit, haben Präsidium und Geschäftsführung auf einem großen Tisch die Bilanzen der letzten Jahre ausgebreitet. „Wir haben nichts zu verbergen, wir erzielen wieder ein kleines Plus“, sagt Ralf Schmitz, ehrenamtlicher Geschäftsführer des Rennvereins und zugleich Eigentümer der Golfanlage. Im Verein ärgert man sich massiv darüber, dass der Verein von politischer Seite als wirtschaftlich angeschlagen dargestellt wird.
Gehen mit Teilen der Politik die Pferde durch? Ausgelöst hatte den Konflikt eine Anfrage der SPD, die einen Überblick über die Situation des Vereins für „zwingend erforderlich hält“. Nur noch drei Renntage im Jahr gebe es, das Gelände, so SPD-Fraktionschef Dieter Wiechering, stehe der Öffentlichkeit im Grunde nicht mehr zur Verfügung. Die SPD fürchtet, dass wegen dieser Entwicklung dem Rennverein Mittel aus Töpfen des nationalen Rennsports nicht mehr zugewiesen werden könnten. „Wenn das zutrifft“, so Wiechering, „ ist davon auszugehen, dass die ohnehin angespannte Finanzsituation des Rennvereins weiter erschwert wird.“
Der Rennverein hat einen Pachtvertrag bis 2048 und zahlt jährlich an die Stadt 4500 Euro. Der Verein hat 140 Pferde auf dem Gelände, die von zwei internationalen Spitzenkräften trainiert werden und oft zu Rennen ins Ausland gehen, er hat 70 Mitglieder – aber leider auch rund 1,4 Millionen Euro Schulden, „die wir bereits ein gutes Stück abgebaut haben“, wie Dirk von Mitzlaff, stellvertretender Präsident, versichert. Sein Ziel ist es, schrittweise wieder an bessere Zeiten anzuknüpfen, die Zahl der Rennen zu steigern, mehr Menschen auf die Rennbahn zu locken, für den Pferdesport zu begeistern.
Public Viewing bei großen Sportereignissen
Fünf Rennen sind in diesem Jahr geplant. Mehr sei nicht drin, heißt es, weil der Verein die hohen Preisgelder nicht zahlen kann. Das Wettgeschäft hat sich ins Internet verlagert. Vorbei die Zeiten, als an einem einzigen Renntag in Mülheim 1,5 Millionen Mark Umsatz gemacht wurden, heute sind es vielleicht noch 100.000 Euro. Kein Risiko mehr, lautet die Devise von Schmitz, der vor Jahren den Golfclub als Untermieter aufs Gelände brachte, um dem Rennverein weitere Einnahmen zu sichern. Auch anderswo gibt es die Ehe von Golfern und Pferden.
Die SPD hält die Nutzung des 50 Hektar großen Gebietes dennoch für völlig unzureichend. Wiechering geht es darum, das Gebiet für breitere Schichten nutzbar zu machen und kann sich vorstellen, dort etwa Public Viewing bei großen Sportereignissen anzubieten oder auch Teile im Bereich der Akazienallee für hochwertiges Bauen zu nutzen oder unter den Bäumen einen großen Biergarten anzubieten. Es gebe viele Möglichkeiten. Er weiß, dass dies nur im Einvernehmen geschehen kann.
Pläne für eine erweitere Nutzung gab es schon früher. Traditionell war in der Vergangenheit das Stadtoberhaupt Präsident des Rennvereins, auch OB Dagmar Mühlenfeld saß an der Spitze und hatte Konzepte entwickelt, wie der Verein aus den über Jahre angehäuften Schulden herauskommen kann.
"Versuchte Inquisition"
Sie hatte sich um Sponsoren bemüht, auch um neue Ideen für die Nutzung des Geländes. Ziel war es, für große Teile der Mülheimer Bevölkerung Angebote rund ums Pferd zu machen. Die Pläne wurden vor vier Jahren bei der Jahreshauptversammlung gestoppt, die OB gekippt. Sponsoren gingen, bevor sie eingestiegen waren. Insider berichten, dass Golfer im Rennverein die Oberhand gewonnen hatten, die kein Interesse an mehr an Pferden gehabt haben sollen.
Die alten Konflikte spielen heute noch im Hintergrund mit. Inzwischen steht mit Hans-Martin Schlebusch ein CDU-Mann als Präsident an der Spitze, und die CDU empört sich über die SPD. Als „zutiefst ungezogen“ wird deren Verhalten bezeichnet. Bei der Union herrscht der Eindruck vor, dass die SPD bewusst die Existenzfrage des Vereins stelle, um ihn in die Insolvenz zu treiben, wie Fraktionsgeschäftsführer Hansgeorg Schiemer sagt. Auch die SPD habe den von der OB ausgehandelten Pachtvertrag mitgetragen, auch der SPD müsse bekannt sein, dass mehr Renntage bei den Preisgeldern mehr Schulden bedeuteten.
Dass der Vereinspräsident vor dem Hauptausschuss zur Finanzlage Stellung beziehen soll, kommt für die CDU einem „Vorführen“ gleich. Fraktionschef Michels spricht von „versuchter Inquisition“.