Der Rosenmontagszug kann kommen. Die Jecken, die allein am Samstagabend die Qual der Wahl zwischen drei Prunksitzungen und zwei Gemeindekarnevalsveranstaltungen hatten, haben sich warm geschunkelt und gefeiert. Die Mölmschen Houltköpp und die KG Blau Weiß konnten sich in der Stadthalle und im Altenhof über jeweils gut 300 zahlende Gäste freuen. Die Stimmung stimmte in beiden Sälen.

Bei der Kostümdichte hatte der Altenhof, wo die Drachenfrau mit dem Mönch und der Cowboy mit der Pilzfrau feierte, die Nase leicht vorne. Allerdings waren Heike und Gabi mit ihren selbstgenähten Rokokokleidern aus Seide und Polyester in der Stadthalle vielleicht die schönsten Närrinnen der Nacht. „Solche Reifröcke kann man ja bei normalen Festen gar nicht anziehen“, verriet Heike, warum ihr die 55. Prunksitzung der Houltköpp gerade recht kam, um ihr traumhaftes Modekunstwerk auszuführen. „Das Programm gefällt mir und die Stimmung ist gut, aber es könnten noch mehr Eigengewächse auftreten“, kommentierte die Grand Dame aus Mozarts Zeiten, was sie am Karnevalssamstag in der Stadthalle zu sehen bekam.

Natürlich hatten sowohl bei den Houltköpp als auch bei Blau Weiß die Eigengewächse ihren großen Auftritt und konnten sich auf ihre heimische Fankurve im Saal verlassen. Die Musikzüge der beiden Gesellschaften holten bei ihrem Showblock von „Schenk mir dein Herz“ bis „Du kannst nicht treu sein“ alles aus ihren Trommeln und Trompeten heraus. Auch die Garden, von denen sich die Große Garde der Blau Weißen übrigens selbst trainiert, und Tanzmariechen wie Cassandra Hrncek von den Houltköpp oder Michelle Jakobs von Blau Weiß glänzten auf der Bühne mit einer sehenswerten Show voller Anmut und Akrobatik.

Dabei hatten die Houltköpp den Bühnenraum diesmal auch auf das Parkett des Festsaals ausgedehnt, um nicht nur ihren Mariechen und der Garde, sondern auch den Gästen der kölschen „Höppemötzjer“ mehr Raum zu geben. Den füllten die Kölner Gäste, die ihre Tänzerinnen mal auf Händen trugen und dann durch die Luft fliegen ließen, reichlich aus. Die Jecken konnten und wollten sich an der anspruchsvollen Choreographie voller Hebe- und Pyramidenfiguren nicht sattsehen.

Kein Wunder, dass die jungen Tanzakrobaten aus der Domstadt nicht ohne Zugaben aus dem Saal kamen.

Deutlich weniger Platz, aber nicht weniger begeisterte Zuschauer fanden die Crazy Diamonds aus Aachen auf der Altenhofbühne. Ihre in futuristisch anmutenden silbergrünen Kostümen getanzte Show „Das Experiment“ griff mit der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima ein aktuelles und ernstes Thema auf.

Frei nach dem Motto: Humor ist, wenn man trotzdem lacht, scheuten auch die Unterhaltungskünstler aus der Fraktion Wort die aktuelle Nachrichtenlage nicht. Dabei zeigte vor allem der Kölner Komiker Knacki Deuser im Altenhof, dass ein Schuss Kabarett dem Karneval nur gut tun kann.

„Sie haben wenigstens noch einen Präsidenten“, scherzte er mit Blick auf den Bundespräsidenten und den an diesem Abend mit dem Verdienstorden des Hauptausschusses Groß-Mülheimer Karneval ausgezeichneten Präsidenten der Blau Weißen, Thomas Straßmann. „Er ist einer der besten Karnevalisten, die Mülheim hat“, sagte Chefkarnevalist Heiner Jansen, der an diesem Abend mit den Tollitäten durch die Säle tourte.

Der Applaus zeigte, dass Heiner Jansen mit dieser Einschätzung nicht alleine dasteht. „Das macht einfach Spaß, hier mitzufeiern, weil man sich wie in einer riesigen Familie fühlt. Hier geht es einfach locker zu. Man erlebt eine große Vielfältigkeit des Programms und merkt, dass sich hier ganze Familien über Generationen engagieren. Auch die Moderation ist hier nie steif, sondern funktioniert nach dem Prinzip frei Schnauze“, beschrieb das „Phantom der Oper“ Eva Woyczikowski, warum sie froh war, an diesem Samstag den Weg zum Karneval im Altenhof gefunden zu haben.