Mülheim.

Alle Stühle im Schauspiel-Studio Ruhr sind besetzt. Viele Besucher wissen noch nicht so recht, was bei einem Poetry-Slam auf sie zukommt. Nur so viel: Sie entscheiden heute über Ruhm oder Niederlage. Denn während sich das Publikum sonst im Theater eher in Zurückhaltung übt, werden die Künstler bei einem Slam lautstark angefeuert – oder gnadenlos ausgebuht.

Einen „königlichen Dichterwettstreit“ haben Markim Pause und Jonas Jahn für den Abend versprochen. Zumindest modisch werden sie diesem Anspruch voll gerecht.

In schlabberigen Klamotten und mit einer Art Kuhglocke um den Fuß gebunden, schlurft „Hofnarr“ Jonas Jahn über die Bühne. Doch als wäre das nicht schon Schmach genug, muss sich der Possenreißer in einer Tour von König Markim Pause herumkommandieren lassen: „Mache er weniger Geräusche mit seinem Fuß!“

Neun Künstler, oder neudeutsch: „Slammer“, buhlen der Reihe nach um die Gunst des Publikums. Die Regeln sind streng: Exakt sechs Minuten hat jeder Teilnehmer Zeit, um die Meute von seinem lyrischen Können zu überzeugen. Verkleidungen und Gesangseinlagen sind nicht erlaubt. Was zählt, ist allein die Macht der Worte.

Jan Coenen aus Mönchengladbach nimmt die Herausforderung als Erster an. Schonungslos offen berichtet er von einer WG-Mitbewohnerin, die an einem Esoterik-Spleen leidet. „Deine Rückenschmerzen sind ein Ausdruck deiner karmischen Restschuld!“ Und: „Du musst deine Probleme nur intuitiv ertanzen!“ parodiert der etwas fülligere Slammer die Dame.

Doch bei aller Komik gibt es auch ernsthafte Töne unter den Slammern. In rastlosem Rhythmus erzählt Eva Stepkes aus Mainz von einer Liebe, für die ihr am Ende die Worte versagen. Was bleibt, ist nur ein lang gedehntes „zzz….“

Absurde Situationen, dem Leben abgeschaut, werden da auf der Bühne verhandelt. Oft komisch, manchmal tragisch, aber immer in dichterische Form gebracht. Auch bei Luca Swieter aus Bad Bentheim dominiert das Thema Liebe. Ganz still ist es im Raum, als sie ihre verrätselten Sprachbilder zeichnet, die aber nie in Kitsch abgleiten. Irgendwo zwischen Lachen und Weinen hält Felix Bartsch aus dem pfälzischen Neuhäusel dagegen sein Publikum. Der 19-Jährige weiß, was es heißt, wenn von dem gemeinsamen Bett in einer Beziehung nur noch das Lattenrost bleibt.

Am Ende kann Jan Coenen mit der ganzen Wahrheit über das Heavy-Metal-Festival in Wacken den Wettstreit für sich entscheiden und wird symbolisch zum Ritter geschlagen.