Familienfreundlichkeit spielt eine zunehmend wichtigere Rolle – für die Hochschule ebenso wie für die Wirtschaft

Familienfreundlichkeit ist ein wichtiger Aspekt für die vor drei Jahren gegründete Fachhochschule, betonte gestern deren Präsident Eberhard Menzel. Bereits im vergangenen Jahr wurde die FH als familiengerechte Hochschule zertifiziert. Und konkret? „Es wird nicht so sein, dass wir selbst einen Hort einrichten“, sagte Vizepräsident Helmut Köstermenke, dafür gebe das Budget nichts her, was er allerdings auch gar nicht als notwendig erachtet, weil es in Broich und Speldorf ausreichend viele Einrichtungen gebe. Aber ein Spielzimmer oder einen Raum, in dem Babys gestillt werden können, soll es doch geben. Darüber hinaus kooperiert die Hochschule mit einer professionellen Vermittlungsagentur aus Essen, die sich um die Vermittlung von Tagesmüttern, Babysittern oder Pflegepersonal kümmert. Das Vermittlungshonorar übernimmt dabei die Hochschule. „Im Wettbewerb um hoch qualifizierte Beschäftigte und talentierte Studenten ist dies für viele potenzielle Bewerber ein bedeutendes Entscheidungskriterium.“

Für die Wirtschaft hat das Thema Familienfreundlichkeit ebenfalls einen nicht zu unterschätzenden Wert. Dies betonten gestern anlässlich der Vorstellung des Geschäftsberichts der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Mülheim & Business sowohl deren Geschäftsführer Jürgen Schnitzmeier als auch die Aufsichtsratsvorsitzende Dagmar Mühlenfeld und ihr Stellvertreter Heinz Lison. Bei der Frage nach den maßgeblichen Standortfaktoren habe Familienfreundlichkeit vor zehn Jahren kaum eine Rolle gespielt, erinnerte sich Unternehmer Lison auch seine eigene, damalige Einstellung. Das hat sich mittlerweile gewaltig geändert. So gab es gestern großes Lob für das Unternehmen Siemens und dessen neuen, betriebsnahen Kindergarten. Der Bedarf an weiteren Plätzen sei, stadtweit betrachtet, noch nicht gedeckt, so Lison. Bei der Frage, ob ein Unternehmen oder mehrere gemeinsam eine solche Einrichtung schaffen, spiele das Geld eine eher untergeordnete Rolle. Es gehe vielmehr „um die Genehmigungshürden“, um die vielen, detaillierten Vorschriften, die für die Umsetzung eines solchen Projekts zu nehmen seien, meinte der Unternehmerrepräsentant.

Bei der angestrebten Familienfreundlichkeit geht es für die Hochschule um zwei Zielgruppen: um die Studenten ebenso wie um die Mitarbeiter. Noch muten die Zahlen relativ bescheiden an: 830 Studenten stehen an beiden Standorten in Bottrop und Mülheim 138 Wissenschaftler und Servicekräfte gegenüber. In drei Jahren, wenn die Hochschule in Mülheim in den neuen Bau an der Duisburger Straße zieht, werden es aber schon voraussichtlich 4500 Studenten und 300 Mitarbeiter sein. Bei der Größe werde es dann sicherlich Konflikte zwischen Beruf und Betreuung geben, auf die man vorbereitet sein will. Auch Frauen sollen am Campus besonders gefördert werden. Von den derzeit 38 Professoren sind lediglich sieben weiblich.

Ob ein möglicher Betreuungsbedarf vorhanden ist und was getan werden kann, um für mehr Familienfreundlichkeit zu sorgen, das will die Wirtschaftsförderungsgesellschaft in diesem Jahr in den Gewerbegebieten Heißen und Rhein-Ruhr-Hafen im Gespräch mit den dort ansässigen Firmen abfragen. Probleme mit der Kinderbetreuung, aber auch bei der Pflege und Betreuung alter oder kranker Angehöriger, würden zwar in den mittelständischen Betrieben zumeist intern besprochen und wohl auch gelöst. Doch wo es Handlungsbedarfe gibt, da will man helfen, auch mögliche Kooperationen unterstützen. Auch sollen die Wohlfahrtsverbände sollen bei Bedarf angesprochen.

Der Fachhochschule geht es aber nicht nur um Betreuung, sondern auch um Arbeitsorganisation und Arbeitszeitregelung. Das fängt bei flexiblen Gleitzeitregelungen an, die angeboten werden sollen, setzt sich fort über die Terminplanung und die Information zu bestimmten Themen via Internet sowie die Möglichkeit von Heimarbeit. Durch Bildungsangebote möchte die Hochschule den Mitarbeitern auch gezielt neue Perspektiven eröffnen.

Bildungsangebote in ausreichendem und qualitativ gutem Maße, beides propagiert Oberbürgermeistern Dagmar Mühlenfeld seit ihrem Amtsantritt und hat dafür unter anderem auch die Wirtschaft mit ins Boot genommen. In diesem Zusammenhang betonte sie auch die zunehmende Bedeutung der Städtepartnerschaften. Die zum Teil seit Jahrzehnten gepflegten Beziehungen zu Tours, Oppeln, Kfar Saba, Kouvola, Darlington und Beykoz sollen durch den Städtepartnerschaftsverein oder auch die Schulen weiter gepflegt, hinsichtlich wirtschaftlicher Themen aber ausgebaut werden. Dabei geht es nicht nur um Investitionen, sondern etwa auch um Praktikaplätze für Studenten der Hochschule. „Da kann es viele interessante Perspektiven geben“, so Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld. Ein Geschäftsbereich Europa-Angelegenheiten wurde daher bei M&B angesiedelt.