Mülheim. Wirte und Gaststättenverband sehen bei einer Verschärfung des Nichtraucherschutzes die Existentz von Lokalen gefährdet. So will die Dehoga für die Beibehaltung von zwei Ausnahmeregelungen kämpfen: die Raucherlaubnis in „schankorientierten Gaststätten bis 75 Quadratmetern“ und den Raucherraum.
Frische Luft kann existenzgefährdend sein. Das zumindest ist die bayrische Erfahrung, die der Gaststättenverband (Dehoga) warnend dem von der Landesregierung geplanten radikalen Rauchverbot in Gaststätten entgegenhalten will.
Im Süden der Republik war die ursprünglich liberal gehaltene Regelung im August 2010 nach einem Bürgerentscheid entschieden verschärft worden. Danach hat sich binnen Jahresfrist laut Süddeutscher Zeitung bei 67 Prozent der Gastronomen der Umsatz verringert, im Schnitt um 28 Prozent. Außerdem kam ein Drittel weniger Gäste, die in der Regel auch kürzer als bislang blieben. Wie viele Wirte den Zapfhahn für immer schließen mussten, blieb bei der Umfrage offen.
Existenzgefährdend?
Weil es den Eckkneipen ohnehin nicht gut gehe und die Besitzer dort selbst „intensivst hinter der Theke stehen“, könne schon ein geringer Umsatzrückgang existenzgefährdend sein, sagt Thomas Kolaric, Geschäftsführer der Dehoga Nordrhein. Daher hätten viele Wirte auch Angst. Wie ein alternatives Geschäftsmodell, von dem Ministerin Barbara Steffens immer spricht, für diese Wirte aussehen könne, sei ihm schleierhaft. Raucher gingen eben lieber in Kneipen als Nichtraucher.
So will die Dehoga für die Beibehaltung von zwei Ausnahmeregelungen kämpfen: die Raucherlaubnis in „schankorientierten Gaststätten bis 75 Quadratmetern“ und den Raucherraum, dem das Gericht schon enge Grenzen gesetzt hat. Denn jeder Kneipengast hat das Recht, rauchfrei in die Gaststätte und ebenso zur Toilette zu gelangen. Einen strikten Jugendschutz, der es erst 18-Jährigen gestatten würde, einen verrauchten Kneipenraum zu betreten, würde die Organisation mittragen.
"So gesehen ist das ganze Leben ein Risiko"
Die Hoffnung, dies durchsetzen zu können, hat Kolaric noch nicht aufgeben. Dass die rot-grüne Mehrheit im bevorstehenden Anhörungsverfahren von ihrem Vorhaben abrücke, sei zwar unwahrscheinlich, die Mehrheit sei aber hauchdünn und vage, denn die Opposition aus CDU und FDP sei für die Fortführung der bestehenden Regelung, die sich auch für Kolaric in den vergangenen drei Jahren weitestgehend bewährt hat.
„Jeder Erwachsene ist doch für sich selbst verantwortlich und weiß, welchen Gefahren er sich aussetzt. So gesehen ist das ganze Leben ein Risiko“, sagt er. Im März, April wolle man auf die Landtagsabgeordneten zugehen und mit Argumenten versuchen, denen einen oder anderen aus der Phalanx herauszubrechen, um so die ab September geplante Neureglung zu verhindern.
"Die meisten Gäste sind Raucher."
Auf diese Anhörung hofft auch Renate Pott. Die Wirtin der „Walliser Stube“, sieht nämlich sonst für die Zukunft der klassischen Eckkneipe schwarz. „Ich habe schon von zwei anderen Gastwirten gehört. die gesagt haben: Wenn das totale Verbot kommt, schließen wir. Die meisten Gäste sind Raucher. Ohne sie lohnt es sich nicht."
Pott selbst ist vorerst optimistisch. Es ist Freitagmittag und sie zeigt auf die Theke, an der rund zehn Personen stehen: „Die meisten rauchen. Aber nicht alle. Ich habe allerdings noch nie gehört, dass sich ein Nichtraucher beschwert hat.“ Ein weiblicher Gast pflichtet ihr bei: „Ich habe noch nie in meinem Leben geraucht. Aber ich würde gar nicht auf die Idee kommen, mich zu beschweren. Mich zwingt ja niemand, hierhin zu gehen. Ich komme wegen der guten Atmosphäre. Und da gehört der Rauch mit dazu. Warum lassen die Politiker die Menschen nicht selbst entscheiden? Wir sind doch mündig und brauchen keine Bevormundung.“
"Es wird erstens niemand gezwungen, hier zu arbeiten"
Renate Pott kennt die Gastronomie ihr ganzes Leben, schon ihre Eltern waren Wirtsleute. „So eine Diskussion hätte ich mir früher gar nicht vorstellen können.“ Über das Argument, durch das vollkommene Rauchverbot sollte auch die Gesundheit der in der Gastronomie Beschäftigten geschont werden, kann sie nur lächeln.
„Es wird erstens niemand gezwungen, hier zu arbeiten. Und zweitens gibt es wohl Berufe mit einem größeren Risiko.“ Stattdessen sollten sich die Verantwortlichen lieber fragen, wie viele Jobs durch ein Verbot in der Gastronomie gefährdet würden. Man sieht der 46-Jährigen an, dass sie, wie so viele ihrer Kollegen, skeptisch in die Zukunft schaut. „Trotzdem macht mir mein Beruf immer noch Spaß. Der Kontakt zu den Menschen wiegt vieles auf.“
Raucher sind Stammgäste
Ähnlich sieht es auch Pertra Glass. Der Name ihrer Kneipe ist freilich schon in gewisser Weise Programm: „Rauchfang“. Seit 60 Jahren gibt es Gaststätte mit Wohnzimmer-Atmosphäre schon, seit fünf Jahren ist die 46-Jährige dort die Wirtin. „Meine Gäste sind zu über 90 Prozent Raucher. Sie sind aber vor allem auch Stammgäste.“ Man kenne sich. Und das sei der Reiz, der die Gäste anlocke. „Für viele sind wir in der Tat das zweite Wohnzimmer. Ich gehe davon aus, dass das auch nach einem Rauchverbot so bleiben würde. Aber natürlich würde die Gemütlichkeit dadurch eingeschränkt.“
Besonders problematisch findet sie, dass die Raucher dann vor die Tür müssten. „Da geht ja keiner alleine raus, sondern immer mehrere zusammen. Es wird laut. Und dann wird es Beschwerden wegen Ruhestörung geben.“ Aber solange das Verbot noch nicht da ist, will Glass optimistisch in die Zukunft schauen. „Wenn es so weit ist, muss man sehen.“ Und dann muss sie lächeln. „Und wenn dieses Verbot durch ist, was kommt dann? Dürfen wir dann keinen Alkohol mehr ausschenken. Der ist auch gefährlich.“ Die Gäste, die an der Theke stehen, lachen.