Mülheim.
Ich war einfach neugierig! Die Signatur auf meinen drei kleinen, geerbten Graphiken war nicht zu erkennen, die renommierte Essener Galeria Assindia, aus der die Bilder stammen, existiert nicht mehr. Wie konnte ich also etwas über die Kunstwerke erfahren? Da fiel mir ein: Es gibt doch die regelmäßige Bildberatung am Kunstmuseum!
Der Kunsthistoriker Dr. Gerhard Ribbrock geleitete mich bald darauf freundlich in sein Arbeitszimmer und nahm umgehend meine Schätze in Augenschein. Kein Aufblitzen in seinen Augen, keine Begeisterung . . . Die Signatur konnte der Experte ebenfalls nicht entziffern und künstlerisch wertvoll schienen die Arbeiten nicht zu sein, denn es ließen sich handwerkliche Fehler entdecken. Nun gut: Meine Träume von unverhofftem Reichtum waren zerstoben. Ich stellte jedoch fest: Es gab noch andere Neugierige, die mit unterschiedlich großen, gut verpackten Paketen unterm Arm auf die Expertenmeinung warteten.
Nicht jedes alte Bild ist wertvoll
„Die Bildberatung am Kunstmuseum gibt es bereits seit 1982 und einer der ersten Termine war zugleich mein spannendster“, erinnert sich Dr. Ribbrock. „Ich ging mit der damaligen Museumsleiterin Frau Dr. Christel Denecke zu einem Ehepaar, das um unsere Einschätzung bat. Sie hatten angeblich einen echten Emil Nolde in den Niederlanden erstanden – sehr günstig – wie wir hinterher erfuhren. Dr. Denecke hatte über den Expressionismus promoviert und war sofort überzeugt, dass das Bild aufgrund der Art und Weise, wie es gemalt wurde, keinesfalls von Nolde stammen konnte.“
Seit dieser Zeit empfängt der stellvertretende Museumsleiter regelmäßig die unterschiedlichsten Menschen, die eine Einschätzung ihres geerbten Bildes, ihrer Flohmarkt-Errungenschaft oder ihres selbst gemalten Bildes wünschen. „Den Besuchern muss ich leider häufig mitteilen, dass ein fünfzig Jahre altes, gut gemaltes Landschaftsbild, welches immer schon bei den Eltern über dem Sofa gehangen hat, nicht automatisch auch wertvoll ist. Es sollte auch kunsthistorisch aus der richtigen Stilepoche stammen, sonst ist es einfach nur gutes Kunsthandwerk“, erläutert der Fachmann.
Wertvolle Stücke sind selten
Auch Einschätzungen, ob sich die Restaurierung eines beschädigten Gemäldes lohnt, nimmt er vor. Der Kunsthistoriker betont, dass er keine Expertisen erstellt. Das dürfen nur eigens von der IHK bestellte Gutachter. Er gibt aber gerne einen Rat, welches Auktionshaus für den Verkauf oder die Versteigerung bestimmter Kunstwerke in Frage kommt. „Die meisten Ratsuchenden sind froh über jeden Hinweis und Tipp. Zu mir kommen eher die ,Fragezeichen’. Wirklich wertvolle Stücke werden mir selten vorgelegt“, gibt er zu. Schade findet er jedoch, dass fast nie eine Rückmeldung kommt, denn bei ernst zu nehmenden Bildern würde ihn schon interessieren, was daraus geworden ist, ob das Bild verkauft wurde und zu welchem Preis. „Das wäre eine schöne Bestätigung meiner Arbeit“, sagt er.
Ein weiterer Service des Kunstmuseums ist die Artothek. Jeden Monat werden gegen eine Versicherungsgebühr von 5 Euro Graphiken verliehen, meist Druckgraphiken von Künstlern aus NRW oder Mülheim. Leider sind auch hier kein echter Nolde oder Arbeiten von Heinrich Zille im Angebot. Diese können aus konservatorischen Gründen nicht aus dem Haus gegeben werden, sie würden in klimatisch ungeschützten Räumen Schaden nehmen.
Museum freut sich über Schenkungen
Dieses Dauerangebot könnte an Attraktivität gewinnen, wenn es durch neue Kunstwerke erweitert würde, betonte Dr. Gerhard Ribbrock. Eigene Geldmittel für Ankäufe gibt es nicht. Der Förderkreis, der die Betreuung des Museumsshops übernommen hat, finanziert aus den erwirtschafteten Mitteln gelegentlich Ankäufe. Das Museum freut sich auch über Schenkungen, wie zum Beispiel kürzlich die 700 Zeichnungen und Papierschnitte des Mülheimer Künstlers Kurt Rehm.
Die Bildberatung durch Dr. Gerhard Ribbrock findet an einem Donnerstag im Monat von 15 bis 16.30 Uhr statt. Der nächste Termin ist am 12. Januar. Eine Graphik der rund 150 Bilder umfassenden Sammlung der Artothek können Kunstliebhaber an jedem ersten Donnerstag im Monat zwischen 14 und 19 Uhr gegen eine Gebühr von 5 Euro für jeweils drei Monate ausleihen.