Mülheim.

Er hat sich geziert. Der Tag ist für Handwerksmeister Hermann-Josef Pogge ohnehin ein arbeitsreicher, ein langer. Doch die führungslose Werbegemeinschaft Innenstadt (WGI) tatenlos verschwinden lassen? Bei all den Problemen, die auf Schloss- und Nebenstraßen lasten? Nein!

Pogge packte Anfang des Jahres zu. Mit seinem Team hat der neue Vorsitzende der WGI zu neuer Blüte verholfen. Zu Jahresbeginn kaum mehr als 20 Mitglieder, sind es nun 120. Neuer Optimismus, Tatendrang hat sich breitgemacht. Auch dank Pogge.

Der 52-Jährige ist im wahrsten Sinne ein Kind der Innenstadt. Die Familie lebte an der Wallstraße. Vater Hermann hatte dort kurz nach dem Krieg Malerbetrieb und Tapetenfachgeschäft aufgebaut. „Wenn ich nicht gewesen wäre“, lacht Pogge, der mit drei älteren Schwestern aufgewachsen ist, „wären wir zu sechst oder zu siebt gewesen.“ So war das früher nun mal: Ein Bub im Nachwuchs musste schon sein. Wer sonst sollte, so die verwurzelte Denke, den Familienbetrieb mal übernehmen?

Schon als Knirps hat Hermann-Josef in der väterlichen Werkstatt mitgemischt, Farben angerührt – mit Kreide, Füllstoffen, Bindemittel, Wasser. „Ich sah immer aus wie Teufel“, erinnert sich der 52-Jährige. „Von oben bis unten verschmiert.“ Er sei vier, fünf Jahre alt gewesen, da habe ihm der Vater Arbeitskleidung maßfertigen lassen. Der Spross verkaufte erste Tapeten, das Firmenlogo auf der Brust tragend. Stolz wie Oskar war er da, der Hermann-Josef.

Es sei kein Muss gewesen, den Betrieb zu übernehmen, sagt er heute. Aber er wollte ja auch, „ohne Wenn und Aber“. Nach der Mittleren Reife am Staatlichen Gymnasium (heute Otto-Pankok) ging’s für Pogge zur Maler- und Lackiererlehre nach Düsseldorf. Dank bester Noten ließ sich die Lehre verkürzen. Danach volontierte er in Köln, in Düsseldorf.

Der Vater erlitt einen Herzinfarkt, auf Bitten der Mutter kam der Spross früher als gedacht zurück nach Mülheim.

Mit Ausnahmegenehmigung, von Landesvater Johannes Rau höchstselbst unterzeichnet, ging’s auch ohne Gesellenjahre an die Meisterschule. Mit 20 war Pogge Meister. 1980 – jüngster Meister deutschlandweit. „Mein Vater war schwer angeschlagen, ich musste sofort ins kalte Wasser springen“, erinnert er sich an den unverhofft schnellen Einstieg 1981 in die Betriebsführung. Er machte seine Fehler, zahlte für seine Unerfahrenheit Lehrgeld. Der Vater, trotz Krankheit immer no ch mit Überblick, ließ ihn gewähren: „Das ist das beste Lehrgeld, was ich in den Jungen investiere“, soll er gesagt haben.

Aus Fehlern lernt der Eifrige. 70 Mitarbeiter hat Pogge heute, am Kohlenkamp ein Einrichtungshaus. Die Geschäfte macht er insbesondere vom Firmensitz im Hafen aus. Mit Bodenbelägen, Korrosionsschutz und vor allem Malerarbeiten. Die Firma arbeitet viel im Auftrag von Industrie, Handel und Gewerbe. Wenn die Bänder mal stillstehen, wird Pogge geordert. Werde in einem Einkaufszentrum zur Ladeneröffnung vorne die Tür aufgeschlossen, so Pogge, „gehen wir hinten mit der Leiter raus“. Gearbeitet wird viel, auch an Sonntagen.

Pogge ist, auch wenn der Vater von zwei Töchtern bei einem Wein vor dem Kamin gut abschalten kann, ein Arbeitstier. Morgens um 5.45 Uhr ist er der Erste m Betrieb, abends wird’s immer mindestens sieben, halb acht. Samstage sind Arbeitstage. Zu Hause liest er gerne, oft aber doch nur: Fachliteratur! Zuletzt beeindruckt war er von der Biografie Berthold Beitz’. Früher hat Pogge bei Union 09 vor den Ball getreten, heute drückt er Schalke 04 die Daumen.

Trotz all dem Stress, den auch das Ehrenamt bei der WGI, sein Engagement als Vorsitzender in einem Fachverband, im Kirchenvorstand von St. Mariä Geburt, im Förderverein vom St. Marien-Hospital bringt: Pogge strahlt Ruhe aus, auch im größten Stress presche er nicht mehr einfach so drauf los, der Routine sei Dank. Geduld und Zielstrebigkeit nennt der 52-Jährige seine Stärken. Freilich: Auch wenn er die Ruhe der Mutter habe, Karamba gehöre auch zum Handwerk. „Wir sind nicht zimperlich. Wir reden eine handfeste Sprache.“

Handfest ist auch das Engagement im WGI-Vorstand. Pogge hatte sich nicht vorstellen können, wie „tiefgehend und arbeitsintensiv“ der Job werden würde. Die Motivation dafür ist das Herzblut, das jeder im Vorstandsteam habe. Für Pogge steckt in der Arbeit eine gehörige Portion Emotionalität. Die Innenstadt gehört zu ihm. Seit Kindesbeinen an.

Illusionen macht er sich dennoch nicht: „Früher war eine super Zeit. Doch es wäre Quatsch, zu sagen, wir könnten die Zeit zurückdrehen.“ Aber besser soll es werden. Dafür ist Pogge angetreten.