Mülheim..

Ulrich Kleine-Vogelpoth hofft heute auf den großen Fang. Die Chance, ihn zu ködern stehen gut, als einziger Konkurrent weit und breit schielt ein Kormoran am Ufer gegenüber auf den gerade gefangenen Döbel herüber. Als einer der wenigen Fischer wirft Ulrich Kleine-Vogelpoth seine Angelrute in der Ruhr aus. Denn nach dem massenhaften Fischsterben im Essener Teil des Flusses sind auch Mülheimer Angelfreunde vorsichtig geworden.

An Leinpfad oder in den Ruhrauen prägen Männer, die mit Keschern in Klappstühlen thronen, normalerweise das Landschaftsbild. Heute wirft wohl nur Ulrich Kleine-Vogelpoth die Schnur aus. Und genießt die Ruhe an der Ruhr: „Ich gehe jeden Tag angeln“, sagt er. Bei jedem Wetter. Vom Fischsterben flussaufwärts hat er bereits gehört. „Ich informiere mich natürlich regelmäßig über die Lage – Sorge habe ich deswegen aber nicht.“ Daher landet der Döbel, der gerade angebissen hat, am Abend in der Pfanne. „Den Kormoran gegenüber habe ich bestochen“, scherzt Kleine-Vogelpoth. „Mit kleineren Fischen, die ich nicht esse.“

"Hier wurden keine toten Tiere gefunden"

„Im Moment würde ich nicht zum Verzehr der Fische raten“, sagt Jochen Keienburg, Vorsitzender der Interessengemeinschaft der Fischereivereine Untere Ruhr, der 19 Angler-Vereine aus Mülheim, Essen, Oberhausen, Moers und Duisburg angehören. Angst, dass der bislang unbekannte Schadstoff auch in Mülheimer Gewässern angelangt sein könnte, haben die Angler kaum: „Hier wurden keine toten Tiere gefunden“, erklärt Keienburg. „Zudem werden wir von der Fischereigenossenschaft, die regelmäßig Wasserproben nimmt, über die aktuelle Lage informiert.“ Sorgen, wie damals beim PFT-Skandal, habe man also derzeit nicht. Erst vergangenen Samstag habe die Interessengemeinschaft das große „Abangeln“ an der Ruhr veranstaltet – die offizielle Beendigung der Angelsaison.

Michael Raspel erschrak, als er am Samstag die Bilder der verendeten Tiere in der Zeitung sah. „Am Wochenende habe ich einige Anrufe besorgter Mitglieder bekommen“, sagt der Vorsitzende der Angelfreunde Mülheim. Als Fischereiaufseher patrouilliert er regelmäßig an den Ufern der Ruhr. Einen Grund zur Panik sehe auch er nicht. „Bis der Schadstoff von der Oberen Ruhr bis zu uns an die Untere Ruhr gelangt, ist er sicherlich bereits so verdünnt, dass er keine Gefahr mehr darstellt.“ Um auf Nummer sicher zu gehen, raten die Fischereiaufseher aber, das Angeln ein bis zwei Wochen auszusetzen und die Ergebnisse der Untersuchungen abzuwarten.

"In der Ruhr schwimmen wohl genügend Fische"

Einmal im Jahr tauschen die Angelfreunde der Interessengemeinschaft Rute gegen Müllsack und räumen das Ruhrufer auf – seit nunmehr 41 Jahren. Wird mittlerweile mehr Müll in der Ruhr abgeladen? „Nein, im Gegenteil“, weiß Jochen Keienburg. „Vor allem das Ruhrwasser wird immer sauberer.“ Mittlerweile laichten sogar Lachse im Mülheimer Gewässer, es siedelten sich Arten an, die hier zuvor nur vereinzelt schwammen. Wie der Hecht: „Aufgrund der guten Wasserqualität kann er seine Beute nun besser sehen und jagen.“ Neben dem reinen Angelvergnügen kümmern sich die Vereine schließlich auch um den Gewässerschutz. „Jedes Jahr setzen wir für 15.000 Euro Fische in die Ruhr“, erklärt Keienburg. Rotaugen, Zander, Karpfen. Einen Mangel dürfte es nach dem Massensterben in Essen also nicht geben. „In der Ruhr schwimmen wohl genügend Fische“, lacht Michael Raspel.