Mülheim. .

Mit durchaus kritischen Zwischentönen feierte der Alevitische Kulturverein am späten Samstagnachmittag in der Heinrich-Thöne-Volkshochschule (VHS) das 50-jährige Jubiläum des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens von 1961.

Mit dem traditionellem Gebetstanz Semah und einer politischen Diskussion zeigten die Organisatoren, dass sie einerseits ihre kulturellen Wurzeln pflegen und andererseits auch nach 50 Jahren Einwanderung eine ehrliche Debatte über das Verständnis des Wortes „Integration“ anstoßen möchten. Im Gegensatz zu den meisten anderen türkischen Mi­granten-Vereinen, die sich zu Beginn oder Ende der 1970er Jahre gründeten, besteht der Demokratisch-Alevitische Verein erst seit 1997.

„Er dient der familiären Bindung von Aleviten, er ist aber offen für alle, Türken und Nicht-Türken“, betont der Vorsitzende Ali Arslan (46). Bei ihnen werde keiner ausgegrenzt. „In erster Linie machen wir Familien-, Frauen-, Kinder und Seniorenarbeit“, erklärt er. Gerade die Arbeit für die Senioren der ersten Generation hebt er hervor: „Alle 14 Tage treffen sie sich in unserem Kulturzen­trum und berichten von ihrem Weg nach Deutschland.“

Besonders für diese Gruppe sei der Austausch untereinander sehr wichtig, so Arslan. Er selbst gehört zur zweiten Generation: Sein Vater kam 1970 nach Deutschland, erst ins Saarland, dann ins Ruhrgebiet. Mit 13 Jahren folgte er aus Istanbul. Zwar betont auch er, dass die meisten von ihnen wegen der wirtschaftlichen Möglichkeiten und dem Familiennachzug kamen, aber trotz der schwierigen Situation der Aleviten in der Türkei hat die Immigration nach Deutschland für ihn nie etwas mit der religiösen Diskriminierung in der Heimat zu tun gehabt.

Dies bestätigt auch Sakine Can, zweite Vereinsvorsitzende. Die Mutter (46) zweier Kinder (16, 17) folgte 1980 ihrem Vater, der seit 1970 in Mülheim war. „Ich war 15, als ich Ostanatolien verließ, eigentlich wollte ich gar nicht weg“, erinnert sie sich. Sie besuchte Sprachkurse, fand Freunde, nach einem Jahr war das Heimweh weg. Heute ist die Bauzeichnerin auch als Familienhelferin tätig. Sie kann mit dem auch in der Polit-Diskussion stets verwendeten Terminus „Integration“ nichts anfangen: „Wir verstehen darunter kulturelle Assimilation. Für mich heißt Integration gleich Parallelgesellschaft.“

Während sie die Debatte verfolgt, die Fragen, etwa wie und wann gelten Migranten als integriert oder wie sichtbar darf Andersartigkeit werden, aufwirft, ist sie sichtlich angespannt. „Es ist eine typisch deutsche Weise, man redet 30 Jahre über etwas, bis man zu einem Ergebnis kommt.“ Sie wünscht sich mehr Handeln, statt das Aufmachen von Schubladen. Sakine Can möchte Deutschland heute nicht mehr verlassen. Vor 15 Jahren ließ sich ihre Familie einbürgern. „Mir fehlt eigentlich nur eine Sache: die Sonne“, sagt sie lachend.